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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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das Gute u. Böse zu erkennen überhaupt.
weder zu- oder abnimmt/ und daß dannenhero
wenn ein Ding nicht mehr zunehmen kan/
es nothwendig wieder abnehmen muß.
(2)
Daß sie eine gewisse und mehr langsame als
geschwinde
Proportion, die aus vielfältigen
kleinen Graden bestehet/ beobachtet/ wie etwan
in einem Uhrwerck die Bewegung desselbigen in
gewisse Augenblicke abgetheilet wird/ welche
wenn sie von dem Menschen überschritten wer-
den/ seinem Wesen eben so sehr Schaden dadurch
zugefüget wird/ als wenn man an denen Redern
eines Uhrwercks künstelt/ daß sie geschwinder
lanffen sollen/ als die Hand des Künstlers ver-
ordnet hatte.

33.

Gleich wie aber die von GOtt allen Din-
gen und folglich auch dem Menschen fürgesetzte
Dauerhafftigkeit seine Gräntzen hat die der
Mensch nicht überschreiten kan/ und solcher ge-
stalt an sich selber gut ist/ also wird sie doch läg-
lich auch von dem Menschen zum Grunde des
Bösen
gemacht/ so ferne er durch unrechte Appli-
ci
rung der äußerlichen Dinge/ entweder wenn er
in Abnehmen ist/ diese Bewegung gar zu ge-
schwinde
beschleuniget/ oder aber/ wenn er noch
zu seiner Vollkommenheit wächst/ auch diese
entweder verhindert/ und sein Abnehmen ver-
ursacht/ ehe er noch vollkommen worden/ oder
gleichfalls dieselbe allzugeschwinde befördert/
und die gewöhnliche Zeit aus Ungedult nicht er-
warten kan.

34. Denn

das Gute u. Boͤſe zu erkennen uͤberhaupt.
weder zu- oder abnimmt/ und daß dannenhero
wenn ein Ding nicht mehr zunehmen kan/
es nothwendig wieder abnehmen muß.
(2)
Daß ſie eine gewiſſe und mehr langſame als
geſchwinde
Proportion, die aus vielfaͤltigen
kleinen Graden beſtehet/ beobachtet/ wie etwan
in einem Uhrwerck die Bewegung deſſelbigen in
gewiſſe Augenblicke abgetheilet wird/ welche
wenn ſie von dem Menſchen uͤberſchritten wer-
den/ ſeinem Weſen eben ſo ſehr Schaden dadurch
zugefuͤget wird/ als wenn man an denen Redern
eines Uhrwercks kuͤnſtelt/ daß ſie geſchwinder
lanffen ſollen/ als die Hand des Kuͤnſtlers ver-
ordnet hatte.

33.

Gleich wie aber die von GOtt allen Din-
gen und folglich auch dem Menſchen fuͤrgeſetzte
Dauerhafftigkeit ſeine Graͤntzen hat die der
Menſch nicht uͤberſchreiten kan/ und ſolcher ge-
ſtalt an ſich ſelber gut iſt/ alſo wird ſie doch laͤg-
lich auch von dem Menſchen zum Grunde des
Boͤſen
gemacht/ ſo ferne er durch unrechte Appli-
ci
rung der aͤußerlichen Dinge/ entweder wenn er
in Abnehmen iſt/ dieſe Bewegung gar zu ge-
ſchwinde
beſchleuniget/ oder aber/ wenn er noch
zu ſeiner Vollkommenheit waͤchſt/ auch dieſe
entweder verhindert/ und ſein Abnehmen ver-
urſacht/ ehe er noch vollkommen worden/ oder
gleichfalls dieſelbe allzugeſchwinde befoͤrdert/
und die gewoͤhnliche Zeit aus Ungedult nicht er-
warten kan.

34. Denn
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[15/0047] das Gute u. Boͤſe zu erkennen uͤberhaupt. weder zu- oder abnimmt/ und daß dannenhero wenn ein Ding nicht mehr zunehmen kan/ es nothwendig wieder abnehmen muß. (2) Daß ſie eine gewiſſe und mehr langſame als geſchwinde Proportion, die aus vielfaͤltigen kleinen Graden beſtehet/ beobachtet/ wie etwan in einem Uhrwerck die Bewegung deſſelbigen in gewiſſe Augenblicke abgetheilet wird/ welche wenn ſie von dem Menſchen uͤberſchritten wer- den/ ſeinem Weſen eben ſo ſehr Schaden dadurch zugefuͤget wird/ als wenn man an denen Redern eines Uhrwercks kuͤnſtelt/ daß ſie geſchwinder lanffen ſollen/ als die Hand des Kuͤnſtlers ver- ordnet hatte. 33. Gleich wie aber die von GOtt allen Din- gen und folglich auch dem Menſchen fuͤrgeſetzte Dauerhafftigkeit ſeine Graͤntzen hat die der Menſch nicht uͤberſchreiten kan/ und ſolcher ge- ſtalt an ſich ſelber gut iſt/ alſo wird ſie doch laͤg- lich auch von dem Menſchen zum Grunde des Boͤſen gemacht/ ſo ferne er durch unrechte Appli- cirung der aͤußerlichen Dinge/ entweder wenn er in Abnehmen iſt/ dieſe Bewegung gar zu ge- ſchwinde beſchleuniget/ oder aber/ wenn er noch zu ſeiner Vollkommenheit waͤchſt/ auch dieſe entweder verhindert/ und ſein Abnehmen ver- urſacht/ ehe er noch vollkommen worden/ oder gleichfalls dieſelbe allzugeſchwinde befoͤrdert/ und die gewoͤhnliche Zeit aus Ungedult nicht er- warten kan. 34. Denn

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/47>, abgerufen am 18.04.2024.