Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 1. H. von der Gelahrheit
lustigendes Gut sey/ und machet in Beschrei-
bung dieser unterschiedlichen Arten/ so wohl auch
in denen Exempeln den Unterschied dererselben
mehr verwirret als deutlich/ indem man diese fal-
sche Meinung hat/ als wenn diese dreyerley Gü-
ter würcklich voneinander unterschieden wä-
ren/ da doch ihr Unterschied nur darinnen beste-
het/ daß das Gute in unterschiedene Betrach-
tung
bald ehrbar/ bald belustigend/ bald nütz-
lich
genennet werde.

92.

Denn alles warhafftige Gute (das
Schein-Gut haben wir schon oben ausgemer-
tzet) ist nützlich/ weil es den Menschen in sei-
ner Dauerhafftigkeit erhält. So ist es auch
belustigend/ wenn es der Mensche besitzet/ weil
die Freude/ Lust und Vergnügung nichts anders
ist/ als die Geniessung und Besitzung des verlang-
ten Guten. Endlich ist es auch ehrbar oder zum
wenigsten nicht unehrbar; denn die Erbarkeit
gründet sich in dem gemeinen Nutzen des mensch-
lichen Geschlechts/ und wir werden zu seiner Zeit
bald darthun/ daß/ der ein ehrbares Leben füh-
ret/ auch alleine ein recht lustig und vergnügt Le-
ben empfinde. Und gleichwie alle Unehrbarkei-
ten und Laster dem gantzen menschlichen Ge-
schlecht schädlich seyn/ auch jeden Menschen selbst
ruiniren; als wird es sich auch bald weisen/ daß
derjenige/ der ein unvernünfftiges Leben führet/
auch zu der Zeit/ da er sich die gröste Lust ein-

bil-

Das 1. H. von der Gelahrheit
luſtigendes Gut ſey/ und machet in Beſchrei-
bung dieſer unterſchiedlichen Arten/ ſo wohl auch
in denen Exempeln den Unterſchied dererſelben
mehr verwirret als deutlich/ indem man dieſe fal-
ſche Meinung hat/ als wenn dieſe dreyerley Guͤ-
ter wuͤrcklich voneinander unterſchieden waͤ-
ren/ da doch ihr Unterſchied nur darinnen beſte-
het/ daß das Gute in unterſchiedene Betrach-
tung
bald ehrbar/ bald beluſtigend/ bald nuͤtz-
lich
genennet werde.

92.

Denn alles warhafftige Gute (das
Schein-Gut haben wir ſchon oben ausgemer-
tzet) iſt nuͤtzlich/ weil es den Menſchen in ſei-
ner Dauerhafftigkeit erhaͤlt. So iſt es auch
beluſtigend/ wenn es der Menſche beſitzet/ weil
die Freude/ Luſt und Vergnuͤgung nichts anders
iſt/ als die Genieſſung und Beſitzung des verlang-
ten Guten. Endlich iſt es auch ehrbar oder zum
wenigſten nicht unehrbar; denn die Erbarkeit
gruͤndet ſich in dem gemeinen Nutzen des menſch-
lichen Geſchlechts/ und wir werden zu ſeiner Zeit
bald darthun/ daß/ der ein ehrbares Leben fuͤh-
ret/ auch alleine ein recht luſtig und vergnuͤgt Le-
ben empfinde. Und gleichwie alle Unehrbarkei-
ten und Laſter dem gantzen menſchlichen Ge-
ſchlecht ſchaͤdlich ſeyn/ auch jeden Menſchen ſelbſt
ruiniren; als wird es ſich auch bald weiſen/ daß
derjenige/ der ein unvernuͤnfftiges Leben fuͤhret/
auch zu der Zeit/ da er ſich die groͤſte Luſt ein-

bil-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0066" n="34"/><fw place="top" type="header">Das 1. H. von der Gelahrheit</fw><lb/><hi rendition="#fr">lu&#x017F;tigendes</hi> Gut &#x017F;ey/ und machet in Be&#x017F;chrei-<lb/>
bung die&#x017F;er unter&#x017F;chiedlichen Arten/ &#x017F;o wohl auch<lb/>
in denen Exempeln den Unter&#x017F;chied derer&#x017F;elben<lb/>
mehr verwirret als deutlich/ indem man die&#x017F;e fal-<lb/>
&#x017F;che Meinung hat/ als wenn die&#x017F;e dreyerley Gu&#x0364;-<lb/>
ter <hi rendition="#fr">wu&#x0364;rcklich voneinander unter&#x017F;chieden</hi> wa&#x0364;-<lb/>
ren/ da doch ihr Unter&#x017F;chied nur darinnen be&#x017F;te-<lb/>
het/ daß das Gute in unter&#x017F;chiedene <hi rendition="#fr">Betrach-<lb/>
tung</hi> bald <hi rendition="#fr">ehrbar/</hi> bald <hi rendition="#fr">belu&#x017F;tigend/</hi> bald <hi rendition="#fr">nu&#x0364;tz-<lb/>
lich</hi> genennet werde.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>92.</head>
          <p>Denn alles <hi rendition="#fr">warhafftige Gute</hi> (das<lb/>
Schein-Gut haben wir &#x017F;chon oben ausgemer-<lb/>
tzet) i&#x017F;t <hi rendition="#fr">nu&#x0364;tzlich/</hi> weil es den Men&#x017F;chen in &#x017F;ei-<lb/>
ner Dauerhafftigkeit erha&#x0364;lt. So i&#x017F;t es auch<lb/><hi rendition="#fr">belu&#x017F;tigend/</hi> wenn es der Men&#x017F;che be&#x017F;itzet/ weil<lb/>
die Freude/ Lu&#x017F;t und Vergnu&#x0364;gung nichts anders<lb/>
i&#x017F;t/ als die Genie&#x017F;&#x017F;ung und Be&#x017F;itzung des verlang-<lb/>
ten Guten. Endlich i&#x017F;t es auch <hi rendition="#fr">ehrbar</hi> oder zum<lb/>
wenig&#x017F;ten nicht unehrbar; denn die Erbarkeit<lb/>
gru&#x0364;ndet &#x017F;ich in dem gemeinen Nutzen des men&#x017F;ch-<lb/>
lichen Ge&#x017F;chlechts/ und wir werden zu &#x017F;einer Zeit<lb/>
bald darthun/ daß/ der ein ehrbares Leben fu&#x0364;h-<lb/>
ret/ auch alleine ein recht lu&#x017F;tig und vergnu&#x0364;gt Le-<lb/>
ben empfinde. Und gleichwie alle Unehrbarkei-<lb/>
ten und La&#x017F;ter dem gantzen men&#x017F;chlichen Ge-<lb/>
&#x017F;chlecht &#x017F;cha&#x0364;dlich &#x017F;eyn/ auch jeden Men&#x017F;chen &#x017F;elb&#x017F;t<lb/><hi rendition="#aq">ruinir</hi>en; als wird es &#x017F;ich auch bald wei&#x017F;en/ daß<lb/>
derjenige/ der ein unvernu&#x0364;nfftiges Leben fu&#x0364;hret/<lb/>
auch zu der Zeit/ da er &#x017F;ich die gro&#x0364;&#x017F;te Lu&#x017F;t ein-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bil-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0066] Das 1. H. von der Gelahrheit luſtigendes Gut ſey/ und machet in Beſchrei- bung dieſer unterſchiedlichen Arten/ ſo wohl auch in denen Exempeln den Unterſchied dererſelben mehr verwirret als deutlich/ indem man dieſe fal- ſche Meinung hat/ als wenn dieſe dreyerley Guͤ- ter wuͤrcklich voneinander unterſchieden waͤ- ren/ da doch ihr Unterſchied nur darinnen beſte- het/ daß das Gute in unterſchiedene Betrach- tung bald ehrbar/ bald beluſtigend/ bald nuͤtz- lich genennet werde. 92. Denn alles warhafftige Gute (das Schein-Gut haben wir ſchon oben ausgemer- tzet) iſt nuͤtzlich/ weil es den Menſchen in ſei- ner Dauerhafftigkeit erhaͤlt. So iſt es auch beluſtigend/ wenn es der Menſche beſitzet/ weil die Freude/ Luſt und Vergnuͤgung nichts anders iſt/ als die Genieſſung und Beſitzung des verlang- ten Guten. Endlich iſt es auch ehrbar oder zum wenigſten nicht unehrbar; denn die Erbarkeit gruͤndet ſich in dem gemeinen Nutzen des menſch- lichen Geſchlechts/ und wir werden zu ſeiner Zeit bald darthun/ daß/ der ein ehrbares Leben fuͤh- ret/ auch alleine ein recht luſtig und vergnuͤgt Le- ben empfinde. Und gleichwie alle Unehrbarkei- ten und Laſter dem gantzen menſchlichen Ge- ſchlecht ſchaͤdlich ſeyn/ auch jeden Menſchen ſelbſt ruiniren; als wird es ſich auch bald weiſen/ daß derjenige/ der ein unvernuͤnfftiges Leben fuͤhret/ auch zu der Zeit/ da er ſich die groͤſte Luſt ein- bil-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/66
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/66>, abgerufen am 20.04.2024.