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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 2. Hauptst. von der grösten
die meisten Feinde haben; dannenhero sie nicht
unbillig den Neutralisten im Kriege zu verglei-
chen sind.

12.

Was aber die wahre und vernünffti-
ge Freundschafft
betrifft/ die in beständiger
Vereinigung zweyer tugendhafften Gemüther
bestehet/ davon ist jetzo nicht die Rede/ sondern
wir werden bald sehen/ daß ohne dieselbe die
höchste Glückseligkeit nicht bestehen könne.

13.

Die Freyheit dürffte uns etwas meh-
res zu thun machen. Sie wird ja durchgehends
für ein unschätzbahres Gut gehalten. Ein Leib-
eigner Sclave ist nach allen Rechten dem
Viehe oder denen Todten gleich geachtet/ was
ist aber elender als ein Vieh oder ein todes Aas?
Und ein Eingekerckerter/ noch vielmehr aber
ein zur ewigen Gefängniß Verdammter ist
lebendig todt.

14.

Aber kehre du dich hieran so viel als
nichts. Jst die Freyheit gleich ein unschätz-
bahres Gut/
so beweiset dieses doch nur so viel/
daß sie allen Geld und Reichthumb vorzuziehen
sey/ nicht aber daß z. e. ein Unterthaner oder
auch ein Leibeigner deshalben elend sey. Du
magst noch so frey seyn als du wilst/ wenn du
kranck bist/ so ist ein gesunder Sclave viel glück-
licher als du.

15.

Wird gleich ein Sclave in denen Bür-
gerlichen Rechten den Toden gleich geachtet/
so gehet doch dieses nur die Freyheiten an/ die

denen

Das 2. Hauptſt. von der groͤſten
die meiſten Feinde haben; dannenhero ſie nicht
unbillig den Neutraliſten im Kriege zu verglei-
chen ſind.

12.

Was aber die wahre und vernuͤnffti-
ge Freundſchafft
betrifft/ die in beſtaͤndiger
Vereinigung zweyer tugendhafften Gemuͤther
beſtehet/ davon iſt jetzo nicht die Rede/ ſondern
wir werden bald ſehen/ daß ohne dieſelbe die
hoͤchſte Gluͤckſeligkeit nicht beſtehen koͤnne.

13.

Die Freyheit duͤrffte uns etwas meh-
res zu thun machen. Sie wird ja durchgehends
fuͤr ein unſchaͤtzbahres Gut gehalten. Ein Leib-
eigner Sclave iſt nach allen Rechten dem
Viehe oder denen Todten gleich geachtet/ was
iſt aber elender als ein Vieh oder ein todes Aas?
Und ein Eingekerckerter/ noch vielmehr aber
ein zur ewigen Gefaͤngniß Verdammter iſt
lebendig todt.

14.

Aber kehre du dich hieran ſo viel als
nichts. Jſt die Freyheit gleich ein unſchaͤtz-
bahres Gut/
ſo beweiſet dieſes doch nur ſo viel/
daß ſie allen Geld und Reichthumb vorzuziehen
ſey/ nicht aber daß z. e. ein Unterthaner oder
auch ein Leibeigner deshalben elend ſey. Du
magſt noch ſo frey ſeyn als du wilſt/ wenn du
kranck biſt/ ſo iſt ein geſunder Sclave viel gluͤck-
licher als du.

15.

Wird gleich ein Sclave in denen Buͤr-
gerlichen Rechten den Toden gleich geachtet/
ſo gehet doch dieſes nur die Freyheiten an/ die

denen
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[62/0094] Das 2. Hauptſt. von der groͤſten die meiſten Feinde haben; dannenhero ſie nicht unbillig den Neutraliſten im Kriege zu verglei- chen ſind. 12. Was aber die wahre und vernuͤnffti- ge Freundſchafft betrifft/ die in beſtaͤndiger Vereinigung zweyer tugendhafften Gemuͤther beſtehet/ davon iſt jetzo nicht die Rede/ ſondern wir werden bald ſehen/ daß ohne dieſelbe die hoͤchſte Gluͤckſeligkeit nicht beſtehen koͤnne. 13. Die Freyheit duͤrffte uns etwas meh- res zu thun machen. Sie wird ja durchgehends fuͤr ein unſchaͤtzbahres Gut gehalten. Ein Leib- eigner Sclave iſt nach allen Rechten dem Viehe oder denen Todten gleich geachtet/ was iſt aber elender als ein Vieh oder ein todes Aas? Und ein Eingekerckerter/ noch vielmehr aber ein zur ewigen Gefaͤngniß Verdammter iſt lebendig todt. 14. Aber kehre du dich hieran ſo viel als nichts. Jſt die Freyheit gleich ein unſchaͤtz- bahres Gut/ ſo beweiſet dieſes doch nur ſo viel/ daß ſie allen Geld und Reichthumb vorzuziehen ſey/ nicht aber daß z. e. ein Unterthaner oder auch ein Leibeigner deshalben elend ſey. Du magſt noch ſo frey ſeyn als du wilſt/ wenn du kranck biſt/ ſo iſt ein geſunder Sclave viel gluͤck- licher als du. 15. Wird gleich ein Sclave in denen Buͤr- gerlichen Rechten den Toden gleich geachtet/ ſo gehet doch dieſes nur die Freyheiten an/ die denen

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/94>, abgerufen am 25.04.2024.