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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 2. Hauptst. von der grösten
gen für sich bringet/ und dasselbige klüglich ver-
waltet/ sich durch seine Geschicklichkeit aus dem
Staube erhebet/ und von allen Ehr- und tu-
gend-liebenden Gemüthern geliebet und hoch-
gehalten
wird/ wenn er seine Freyheit in
nichts anders suchet/ als wie er andern Men-
schen gutes thun/ und sie für unrechtmäßiger
Gewalt und Unterdrückung beschützen möge/
wenn er jederman mit Höffligkeit begegnet/
und allen allerley wird/ damit er viele gewinnen
möge; und wenn er endlich durch ein mäßiges
Leben und Beherrschung seiuer Gemüths-Nei-
gungen seine Gesundheit in dem Zustand/ wie
sie ihm GOtt verliehen hat/ erhält/ findest du
wohl die geringste Ursache zu zweiffeln/ daß ein
solcher Mann nicht weit glückseeliger seyn solte
als der erste?

46.

Bey dieser Bewandniß aber ist noch
weniger Zweiffel übrig/ daß diejenigen Wissen-
schafften/ in denen sich der menschliche Verstand
vertiefft/ umb sich nur über andere Menschen
durch Speculirung subtiler aber unnützlicher
Dinge oder nichts bedeutender dunckeler Wör-
ter/ oder wenn es hoch kömmt/ artiger und be-
lustigender
Dinge/ zu erheben/ gantz nicht
zur grösten Glückseeligkeit des Menschen gehö-
ren/ sondern entweder unter das gröste Unglück
zu rechnen/ oder für blosse Zierrathen eines
glückseeligen Mannes zu halten seyn/ welche
wenn sie keine Glückseeligkeit/ die sie zieren kön-

nen/

Das 2. Hauptſt. von der groͤſten
gen fuͤr ſich bringet/ und daſſelbige kluͤglich ver-
waltet/ ſich durch ſeine Geſchicklichkeit aus dem
Staube erhebet/ und von allen Ehr- und tu-
gend-liebenden Gemuͤthern geliebet und hoch-
gehalten
wird/ wenn er ſeine Freyheit in
nichts anders ſuchet/ als wie er andern Men-
ſchen gutes thun/ und ſie fuͤr unrechtmaͤßiger
Gewalt und Unterdruͤckung beſchuͤtzen moͤge/
wenn er jederman mit Hoͤffligkeit begegnet/
und allen allerley wird/ damit er viele gewinnen
moͤge; und wenn er endlich durch ein maͤßiges
Leben und Beherrſchung ſeiuer Gemuͤths-Nei-
gungen ſeine Geſundheit in dem Zuſtand/ wie
ſie ihm GOtt verliehen hat/ erhaͤlt/ findeſt du
wohl die geringſte Urſache zu zweiffeln/ daß ein
ſolcher Mann nicht weit gluͤckſeeliger ſeyn ſolte
als der erſte?

46.

Bey dieſer Bewandniß aber iſt noch
weniger Zweiffel uͤbrig/ daß diejenigen Wiſſen-
ſchafften/ in denen ſich der menſchliche Verſtand
vertiefft/ umb ſich nur uͤber andere Menſchen
durch Speculirung ſubtiler aber unnuͤtzlicher
Dinge oder nichts bedeutender dunckeler Woͤr-
ter/ oder wenn es hoch koͤmmt/ artiger und be-
luſtigender
Dinge/ zu erheben/ gantz nicht
zur groͤſten Gluͤckſeeligkeit des Menſchen gehoͤ-
ren/ ſondern entweder unter das groͤſte Ungluͤck
zu rechnen/ oder fuͤr bloſſe Zierrathen eines
gluͤckſeeligen Mannes zu halten ſeyn/ welche
wenn ſie keine Gluͤckſeeligkeit/ die ſie zieren koͤn-

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[76/0108] Das 2. Hauptſt. von der groͤſten gen fuͤr ſich bringet/ und daſſelbige kluͤglich ver- waltet/ ſich durch ſeine Geſchicklichkeit aus dem Staube erhebet/ und von allen Ehr- und tu- gend-liebenden Gemuͤthern geliebet und hoch- gehalten wird/ wenn er ſeine Freyheit in nichts anders ſuchet/ als wie er andern Men- ſchen gutes thun/ und ſie fuͤr unrechtmaͤßiger Gewalt und Unterdruͤckung beſchuͤtzen moͤge/ wenn er jederman mit Hoͤffligkeit begegnet/ und allen allerley wird/ damit er viele gewinnen moͤge; und wenn er endlich durch ein maͤßiges Leben und Beherrſchung ſeiuer Gemuͤths-Nei- gungen ſeine Geſundheit in dem Zuſtand/ wie ſie ihm GOtt verliehen hat/ erhaͤlt/ findeſt du wohl die geringſte Urſache zu zweiffeln/ daß ein ſolcher Mann nicht weit gluͤckſeeliger ſeyn ſolte als der erſte? 46. Bey dieſer Bewandniß aber iſt noch weniger Zweiffel uͤbrig/ daß diejenigen Wiſſen- ſchafften/ in denen ſich der menſchliche Verſtand vertiefft/ umb ſich nur uͤber andere Menſchen durch Speculirung ſubtiler aber unnuͤtzlicher Dinge oder nichts bedeutender dunckeler Woͤr- ter/ oder wenn es hoch koͤmmt/ artiger und be- luſtigender Dinge/ zu erheben/ gantz nicht zur groͤſten Gluͤckſeeligkeit des Menſchen gehoͤ- ren/ ſondern entweder unter das groͤſte Ungluͤck zu rechnen/ oder fuͤr bloſſe Zierrathen eines gluͤckſeeligen Mannes zu halten ſeyn/ welche wenn ſie keine Gluͤckſeeligkeit/ die ſie zieren koͤn- nen/

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/108>, abgerufen am 29.03.2024.