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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Glückseeligkeit des Menschen.
nen antreffen/ bey nahe so eitel sind als die
Wissenschafften der ersten Gattung/ als z. e.
die Scholastische Philosophie, die gemeine Lo-
gic,
die Philologie, Historie, Poenterey/ Rede-
Kunst/
u. s. w.

47.

Gesetzt aber der Mensch suche durch die
Wissenschafften dergleichen Vorzug nicht/ son-
dern sey nur bemühet seinen Verstand auszu-
bessern/ und durch Erfindung neuer Warheiten
dem menschliehen Geschlecht in der That zu die-
nen; es wären aber dieselben also bewand/ daß
sie ihn in Betrachtung derer Geschöpffe ausser
ihn selbst von der Erkäntniß seiner selbst im-
mer mehr und mehr abführeten/ als wie z. e. bey
denen geschiehet/ die sich in der Physic und de-
nen Mathematischen Wissenschafften allzusehr
vertieffen; so scheinet es zwar anfangs/ das diese
Dinge/ wo nicht die gröste Glückseeligkeit voll-
ständig ausmachten/ doch zum wenigsten ein
vornehmes Theil von derselbigen
austrü-
gen/ weil nicht zu läugnen ist/ daß die Erfin-
dung solcher Wahrheiten den Menschen ein
grosses Vergnügen geben/ und z. e. die Erfin-
dung einer Mathematischen oder Physischen
Wahrheit den Menschen ja so sehr belustiget/
als die sinnlichen Lüste immer mehr thun kön-
nen/ zumahl wenn man erweget/ daß dadurch der
Leib nicht geschwächet und umb seine Gesund-
heit gebracht wird: jedoch aber wenn man die
Sache einwenig reifflicher überleget/ wird man

bald

Gluͤckſeeligkeit des Menſchen.
nen antreffen/ bey nahe ſo eitel ſind als die
Wiſſenſchafften der erſten Gattung/ als z. e.
die Scholaſtiſche Philoſophie, die gemeine Lo-
gic,
die Philologie, Hiſtorie, Poẽterey/ Rede-
Kunſt/
u. ſ. w.

47.

Geſetzt aber der Menſch ſuche durch die
Wiſſenſchafften dergleichen Vorzug nicht/ ſon-
dern ſey nur bemuͤhet ſeinen Verſtand auszu-
beſſern/ und durch Erfindung neuer Warheiten
dem menſchliehen Geſchlecht in der That zu die-
nen; es waͤren aber dieſelben alſo bewand/ daß
ſie ihn in Betrachtung derer Geſchoͤpffe auſſer
ihn ſelbſt von der Erkaͤntniß ſeiner ſelbſt im-
mer mehr und mehr abfuͤhreten/ als wie z. e. bey
denen geſchiehet/ die ſich in der Phyſic und de-
nen Mathematiſchen Wiſſenſchafften allzuſehr
vertieffen; ſo ſcheinet es zwar anfangs/ das dieſe
Dinge/ wo nicht die groͤſte Gluͤckſeeligkeit voll-
ſtaͤndig ausmachten/ doch zum wenigſten ein
vornehmes Theil von derſelbigen
austruͤ-
gen/ weil nicht zu laͤugnen iſt/ daß die Erfin-
dung ſolcher Wahrheiten den Menſchen ein
groſſes Vergnuͤgen geben/ und z. e. die Erfin-
dung einer Mathematiſchen oder Phyſiſchen
Wahrheit den Menſchen ja ſo ſehr beluſtiget/
als die ſinnlichen Luͤſte immer mehr thun koͤn-
nen/ zumahl wenn man erweget/ daß dadurch der
Leib nicht geſchwaͤchet und umb ſeine Geſund-
heit gebracht wird: jedoch aber wenn man die
Sache einwenig reifflicher uͤberleget/ wird man

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[77/0109] Gluͤckſeeligkeit des Menſchen. nen antreffen/ bey nahe ſo eitel ſind als die Wiſſenſchafften der erſten Gattung/ als z. e. die Scholaſtiſche Philoſophie, die gemeine Lo- gic, die Philologie, Hiſtorie, Poẽterey/ Rede- Kunſt/ u. ſ. w. 47. Geſetzt aber der Menſch ſuche durch die Wiſſenſchafften dergleichen Vorzug nicht/ ſon- dern ſey nur bemuͤhet ſeinen Verſtand auszu- beſſern/ und durch Erfindung neuer Warheiten dem menſchliehen Geſchlecht in der That zu die- nen; es waͤren aber dieſelben alſo bewand/ daß ſie ihn in Betrachtung derer Geſchoͤpffe auſſer ihn ſelbſt von der Erkaͤntniß ſeiner ſelbſt im- mer mehr und mehr abfuͤhreten/ als wie z. e. bey denen geſchiehet/ die ſich in der Phyſic und de- nen Mathematiſchen Wiſſenſchafften allzuſehr vertieffen; ſo ſcheinet es zwar anfangs/ das dieſe Dinge/ wo nicht die groͤſte Gluͤckſeeligkeit voll- ſtaͤndig ausmachten/ doch zum wenigſten ein vornehmes Theil von derſelbigen austruͤ- gen/ weil nicht zu laͤugnen iſt/ daß die Erfin- dung ſolcher Wahrheiten den Menſchen ein groſſes Vergnuͤgen geben/ und z. e. die Erfin- dung einer Mathematiſchen oder Phyſiſchen Wahrheit den Menſchen ja ſo ſehr beluſtiget/ als die ſinnlichen Luͤſte immer mehr thun koͤn- nen/ zumahl wenn man erweget/ daß dadurch der Leib nicht geſchwaͤchet und umb ſeine Geſund- heit gebracht wird: jedoch aber wenn man die Sache einwenig reifflicher uͤberleget/ wird man bald

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/109>, abgerufen am 16.04.2024.