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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 2. Hauptst. von der grösten
seine Hure/ und seine Sauffgesellschafft; ein
Ehrgeitziger die Leute von denen er Ehre zu
erlangen hoffet/ und ein Geldgeitziger den to-
den Geldklumpen. Es ist ja wahr/ diesen opf-
fern sie alle andere Menschen/ und alles was sie
sonst haben/ aber auch fürnehmlich sich selbst auf/
in Ansehen ein Wollüstiger seine Hure und
liederliche Sauff- und Spiel-Gesellschafft zuver-
gnügen/ sich umb seine Gesundheit und zeitliche
Wohlfarth bringet; ein Ehrgeitziger/ umb
einen Wind von Ehre von andern Menschen zu
erlangen/ Leib/ Gut und Ehre selbst hazardiret/
und ein Geldgeitziger über dieses alles bey sei-
nem Geldklumpen verhungert u. s. w.

86.

So siehest du demnach/ daß die Ge-
müths-Ruhe
ohne Vergnügen/ das Vergnü-
gen
ohne die Liebe anderer Menschen/ diese
Liebe
ohne der Vereinigung der Gemüther/
und diese Vereinigung ohne wechsels weise
Bemühung der geliebten Person vergnügen/
auch mit Hindansetzung seines eigenen zu suchen/
dieses alles aber ohne Abschaffung dessen/
was das Gemüthe beunruhiget/
nicht seyn
könne. Und hüte dich dannenhero/ daß du nicht
nach Art und Weise der meisten Philosophen über
der Benennung der grösten Glückseeligkeit des
Menschen einen unnöthigen Streit anfähest.

87.

Nenne es wie du wilt. Denn die Worte
sind der Dinger halber/ die Dinge aber nicht der
Worte haber erfunden. Wilt du es nicht Ge-

müths-

Das 2. Hauptſt. von der groͤſten
ſeine Hure/ und ſeine Sauffgeſellſchafft; ein
Ehrgeitziger die Leute von denen er Ehre zu
erlangen hoffet/ und ein Geldgeitziger den to-
den Geldklumpen. Es iſt ja wahr/ dieſen opf-
fern ſie alle andere Menſchen/ und alles was ſie
ſonſt haben/ aber auch fuͤrnehmlich ſich ſelbſt auf/
in Anſehen ein Wolluͤſtiger ſeine Hure und
liederliche Sauff- und Spiel-Geſellſchafft zuver-
gnuͤgen/ ſich umb ſeine Geſundheit und zeitliche
Wohlfarth bringet; ein Ehrgeitziger/ umb
einen Wind von Ehre von andern Menſchen zu
erlangen/ Leib/ Gut und Ehre ſelbſt hazardiret/
und ein Geldgeitziger uͤber dieſes alles bey ſei-
nem Geldklumpen verhungert u. ſ. w.

86.

So ſieheſt du demnach/ daß die Ge-
muͤths-Ruhe
ohne Vergnuͤgen/ das Vergnuͤ-
gen
ohne die Liebe anderer Menſchen/ dieſe
Liebe
ohne der Vereinigung der Gemuͤther/
und dieſe Vereinigung ohne wechſels weiſe
Bemuͤhung der geliebten Perſon vergnuͤgen/
auch mit Hindanſetzung ſeines eigenen zu ſuchen/
dieſes alles aber ohne Abſchaffung deſſen/
was das Gemuͤthe beunruhiget/
nicht ſeyn
koͤnne. Und huͤte dich dannenhero/ daß du nicht
nach Art und Weiſe der meiſten Philoſophen uͤber
der Benennung der groͤſten Gluͤckſeeligkeit des
Menſchen einen unnoͤthigen Streit anfaͤheſt.

87.

Nenne es wie du wilt. Denn die Worte
ſind der Dinger halber/ die Dinge aber nicht der
Worte haber erfunden. Wilt du es nicht Ge-

muͤths-
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[94/0126] Das 2. Hauptſt. von der groͤſten ſeine Hure/ und ſeine Sauffgeſellſchafft; ein Ehrgeitziger die Leute von denen er Ehre zu erlangen hoffet/ und ein Geldgeitziger den to- den Geldklumpen. Es iſt ja wahr/ dieſen opf- fern ſie alle andere Menſchen/ und alles was ſie ſonſt haben/ aber auch fuͤrnehmlich ſich ſelbſt auf/ in Anſehen ein Wolluͤſtiger ſeine Hure und liederliche Sauff- und Spiel-Geſellſchafft zuver- gnuͤgen/ ſich umb ſeine Geſundheit und zeitliche Wohlfarth bringet; ein Ehrgeitziger/ umb einen Wind von Ehre von andern Menſchen zu erlangen/ Leib/ Gut und Ehre ſelbſt hazardiret/ und ein Geldgeitziger uͤber dieſes alles bey ſei- nem Geldklumpen verhungert u. ſ. w. 86. So ſieheſt du demnach/ daß die Ge- muͤths-Ruhe ohne Vergnuͤgen/ das Vergnuͤ- gen ohne die Liebe anderer Menſchen/ dieſe Liebe ohne der Vereinigung der Gemuͤther/ und dieſe Vereinigung ohne wechſels weiſe Bemuͤhung der geliebten Perſon vergnuͤgen/ auch mit Hindanſetzung ſeines eigenen zu ſuchen/ dieſes alles aber ohne Abſchaffung deſſen/ was das Gemuͤthe beunruhiget/ nicht ſeyn koͤnne. Und huͤte dich dannenhero/ daß du nicht nach Art und Weiſe der meiſten Philoſophen uͤber der Benennung der groͤſten Gluͤckſeeligkeit des Menſchen einen unnoͤthigen Streit anfaͤheſt. 87. Nenne es wie du wilt. Denn die Worte ſind der Dinger halber/ die Dinge aber nicht der Worte haber erfunden. Wilt du es nicht Ge- muͤths-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/126>, abgerufen am 24.04.2024.