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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Ursprung aller menschl. Glückseel.
diese Umbwechselung herkomme/ und wer
derselben Ursache sey/

18.

Wolte nun gleich die praecipitantz eines
unvernünfftigen Menschen sagen/ daß die Din-
ge ihr Wesen selber erhielten/
sonderlich a-
ber ein Mensch durch rechte Gebrauchung sei-
ner gesunden Vernufft sein Wesen und Seyn
erhalte; so wird ihme doch bald eine etwas reif-
fere Uberlegung seiner Ohnmacht/ und noch
vielmehr des Unvermögens anderer geringeren
Geschöpffe überzeugen. Denn wie ist es mög-
lich/ daß nichts etwas könne zu wege brin-
gen.
Das gegenwärtige Seyn wird in einem
Augenblick zu nichts/ indem es unter das ver-
gangene gerechnet wird/ und weil es mit dem
was zukünfftig und also nichts war/ und nun-
mehro an seine Stelle getreten und etwas wor-
den ist/ gantz keine Verknüpffung hatte/ wie kan
man denn sagen/ daß dieses etwas das zukünff-
tige nichts/ indem es selbst zu nichts worden/ zu
etwas gemacht habe. Und in Wahrheit so sehr
es der Vernunfft zuwieder ist/ daß nichts et-
was sey/
so sehr ist es ihr auch zuwieder/ daß
nichts etwas würcken solle.

19.

So ist dannenhero nichts mehr übrig/
als daß man zu dem Schöpffer sich wende/
und ihme alleine die augenblickllche Erhaltung
dieser Dinge zuschreibe. Denn wie er diesel-
ben Anfangs aus nichts auff eine unbegreiff li-
che Weise gemacht/ also ist er alleine mächtig/

und

Urſprung aller menſchl. Gluͤckſeel.
dieſe Umbwechſelung herkomme/ und wer
derſelben Urſache ſey/

18.

Wolte nun gleich die præcipitantz eines
unvernuͤnfftigen Menſchen ſagen/ daß die Din-
ge ihr Weſen ſelber erhielten/
ſonderlich a-
ber ein Menſch durch rechte Gebrauchung ſei-
ner geſunden Vernufft ſein Weſen und Seyn
erhalte; ſo wird ihme doch bald eine etwas reif-
fere Uberlegung ſeiner Ohnmacht/ und noch
vielmehr des Unvermoͤgens anderer geringeren
Geſchoͤpffe uͤberzeugen. Denn wie iſt es moͤg-
lich/ daß nichts etwas koͤnne zu wege brin-
gen.
Das gegenwaͤrtige Seyn wird in einem
Augenblick zu nichts/ indem es unter das ver-
gangene gerechnet wird/ und weil es mit dem
was zukuͤnfftig und alſo nichts war/ und nun-
mehro an ſeine Stelle getreten und etwas wor-
den iſt/ gantz keine Verknuͤpffung hatte/ wie kan
man denn ſagen/ daß dieſes etwas das zukuͤnff-
tige nichts/ indem es ſelbſt zu nichts worden/ zu
etwas gemacht habe. Und in Wahrheit ſo ſehr
es der Vernunfft zuwieder iſt/ daß nichts et-
was ſey/
ſo ſehr iſt es ihr auch zuwieder/ daß
nichts etwas wuͤrcken ſolle.

19.

So iſt dannenhero nichts mehr uͤbrig/
als daß man zu dem Schoͤpffer ſich wende/
und ihme alleine die augenblickllche Erhaltung
dieſer Dinge zuſchreibe. Denn wie er dieſel-
ben Anfangs aus nichts auff eine unbegreiff li-
che Weiſe gemacht/ alſo iſt er alleine maͤchtig/

und
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[127/0159] Urſprung aller menſchl. Gluͤckſeel. dieſe Umbwechſelung herkomme/ und wer derſelben Urſache ſey/ 18. Wolte nun gleich die præcipitantz eines unvernuͤnfftigen Menſchen ſagen/ daß die Din- ge ihr Weſen ſelber erhielten/ ſonderlich a- ber ein Menſch durch rechte Gebrauchung ſei- ner geſunden Vernufft ſein Weſen und Seyn erhalte; ſo wird ihme doch bald eine etwas reif- fere Uberlegung ſeiner Ohnmacht/ und noch vielmehr des Unvermoͤgens anderer geringeren Geſchoͤpffe uͤberzeugen. Denn wie iſt es moͤg- lich/ daß nichts etwas koͤnne zu wege brin- gen. Das gegenwaͤrtige Seyn wird in einem Augenblick zu nichts/ indem es unter das ver- gangene gerechnet wird/ und weil es mit dem was zukuͤnfftig und alſo nichts war/ und nun- mehro an ſeine Stelle getreten und etwas wor- den iſt/ gantz keine Verknuͤpffung hatte/ wie kan man denn ſagen/ daß dieſes etwas das zukuͤnff- tige nichts/ indem es ſelbſt zu nichts worden/ zu etwas gemacht habe. Und in Wahrheit ſo ſehr es der Vernunfft zuwieder iſt/ daß nichts et- was ſey/ ſo ſehr iſt es ihr auch zuwieder/ daß nichts etwas wuͤrcken ſolle. 19. So iſt dannenhero nichts mehr uͤbrig/ als daß man zu dem Schoͤpffer ſich wende/ und ihme alleine die augenblickllche Erhaltung dieſer Dinge zuſchreibe. Denn wie er dieſel- ben Anfangs aus nichts auff eine unbegreiff li- che Weiſe gemacht/ alſo iſt er alleine maͤchtig/ und

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/159>, abgerufen am 28.03.2024.