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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Ursprung aller menschl. Glückseel.
es wohl an dem/ daß die allgemeine friedliche Ge-
sellschafft und die thätige Gemüths-Ruhe erfor-
dere/ daß ein Mensch dem andern seine Gottes-
furcht zeige; Aber er wird ihm dieselbe am aller-
besten/ und zum wenigsten besser dadurch zeigen
können/ wenn er sein Leben nach dem in der
Natur ihm geoffenbahrten Willen GOt-
tes in Ansehen der Liebe anderer Menschen
anstellet/
als wenn er ohne dieser Gleichförmig-
keit des äusserlichen Thuns/ alle äusserliche Cere-
monien
noch so sorgfältig in acht nähme.

52.

Aber/ fährestu fort/ wie wil die Glücksee-
ligkeit des gemeinen Wesens
bestchen/ in dem
keine Bürgerliche Gesellschasst ist/ darinnen
man nicht einen äusserlichen Gottesdienst beob-
achten solte/ und so gar auch die Heydnischen
Scribenten selbst in ihren Schrifften denselben
als eine Schuldigkeit des Menschen anzuführen
pflegen.

53.

Alleine du must dich hüten/ daß du aus
dem was die Heyden erkennet haben/ nicht/
wie wohl ins gemein zu geschehen pfleget/ schlies-
sen woltest/ daß sie dieses alles aus dem Liecht der
Vernunfft erkennet haben. Auch die Heyden
haben sich zweyerley Lichts/ der natürlichen und
einer Offenbahrung bedienet. Ja sie haben
auch viel von der wahren göttlichen Offenbah-
rung theils durch die Tradition ihrer Eltern/ theils
durch die Conversation mit denen Rechtgläubi-
gen gewust. Und solcher gestalt folget gantz nicht;

Es

Urſprung aller menſchl. Gluͤckſeel.
es wohl an dem/ daß die allgemeine friedliche Ge-
ſellſchafft und die thaͤtige Gemuͤths-Ruhe erfor-
dere/ daß ein Menſch dem andern ſeine Gottes-
furcht zeige; Aber er wird ihm dieſelbe am aller-
beſten/ und zum wenigſten beſſer dadurch zeigen
koͤnnen/ wenn er ſein Leben nach dem in der
Natur ihm geoffenbahrten Willen GOt-
tes in Anſehen der Liebe anderer Menſchen
anſtellet/
als wenn er ohne dieſer Gleichfoͤrmig-
keit des aͤuſſerlichen Thuns/ alle aͤuſſerliche Cere-
monien
noch ſo ſorgfaͤltig in acht naͤhme.

52.

Aber/ faͤhreſtu fort/ wie wil die Gluͤckſee-
ligkeit des gemeinen Weſens
beſtchen/ in dem
keine Buͤrgerliche Geſellſchaſſt iſt/ darinnen
man nicht einen aͤuſſerlichen Gottesdienſt beob-
achten ſolte/ und ſo gar auch die Heydniſchen
Scribenten ſelbſt in ihren Schrifften denſelben
als eine Schuldigkeit des Menſchen anzufuͤhren
pflegen.

53.

Alleine du muſt dich huͤten/ daß du aus
dem was die Heyden erkennet haben/ nicht/
wie wohl ins gemein zu geſchehen pfleget/ ſchlieſ-
ſen wolteſt/ daß ſie dieſes alles aus dem Liecht der
Vernunfft erkennet haben. Auch die Heyden
haben ſich zweyerley Lichts/ der natuͤrlichen und
einer Offenbahrung bedienet. Ja ſie haben
auch viel von der wahren goͤttlichen Offenbah-
rung theils durch die Tradition ihrer Eltern/ theils
durch die Converſation mit denen Rechtglaͤubi-
gen gewuſt. Und ſolcher geſtalt folget gantz nicht;

Es
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[141/0173] Urſprung aller menſchl. Gluͤckſeel. es wohl an dem/ daß die allgemeine friedliche Ge- ſellſchafft und die thaͤtige Gemuͤths-Ruhe erfor- dere/ daß ein Menſch dem andern ſeine Gottes- furcht zeige; Aber er wird ihm dieſelbe am aller- beſten/ und zum wenigſten beſſer dadurch zeigen koͤnnen/ wenn er ſein Leben nach dem in der Natur ihm geoffenbahrten Willen GOt- tes in Anſehen der Liebe anderer Menſchen anſtellet/ als wenn er ohne dieſer Gleichfoͤrmig- keit des aͤuſſerlichen Thuns/ alle aͤuſſerliche Cere- monien noch ſo ſorgfaͤltig in acht naͤhme. 52. Aber/ faͤhreſtu fort/ wie wil die Gluͤckſee- ligkeit des gemeinen Weſens beſtchen/ in dem keine Buͤrgerliche Geſellſchaſſt iſt/ darinnen man nicht einen aͤuſſerlichen Gottesdienſt beob- achten ſolte/ und ſo gar auch die Heydniſchen Scribenten ſelbſt in ihren Schrifften denſelben als eine Schuldigkeit des Menſchen anzufuͤhren pflegen. 53. Alleine du muſt dich huͤten/ daß du aus dem was die Heyden erkennet haben/ nicht/ wie wohl ins gemein zu geſchehen pfleget/ ſchlieſ- ſen wolteſt/ daß ſie dieſes alles aus dem Liecht der Vernunfft erkennet haben. Auch die Heyden haben ſich zweyerley Lichts/ der natuͤrlichen und einer Offenbahrung bedienet. Ja ſie haben auch viel von der wahren goͤttlichen Offenbah- rung theils durch die Tradition ihrer Eltern/ theils durch die Converſation mit denen Rechtglaͤubi- gen gewuſt. Und ſolcher geſtalt folget gantz nicht; Es

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/173>, abgerufen am 28.03.2024.