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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 5. Hauptst. von der allgemeinen
oder wohl ja so leichte der Grund eines unge-
gründeten Hasses
als Liebe.

11.

Was das Geschlecht betrifft/ so ist bil-
lig zu bemercken/ daß die Ungleichheit dessel-
ben eintzig und alleine unter denen Ungleichhei-
ten diejenige ist/ die nicht nur an der Liebe nicht
hinderlich ist/ sondern vielmehr dieselbe verursa-
chet/ oder in einen grössern Grad zum wenigsten
zu wege bringet. Nicht nur unter Leuten die ein-
ander unvernünfftig lieben/ sondern auch un-
ter unvernünfftigen Menschen; indem nicht al-
leine diese Zuneigung/ die der Mensch mit denen
Thieren gemein hat/ Leib mit Leib zu vermengen/
solches zu wege bringet/ sondern auch/ wenn man
von derselben abstrahiret/ viel ein grösseres Ver-
trauen/ Ehrfurcht/
und Weichhertzigkeit
unter Personen beyderley Geschlechts/ als unter
denen von einerley Geschlechte durch einen natür-
lichen Trieb zu seyn pfleget. Daß man also
hieraus klärlich siehet/ man müsse die Gleich-
heit
die der Grund der Liebe ist nicht so wohl
in äußerlichen Dingen suchen/ als wie das Ge-
schlechte ist/ als in der innerlichen Zuneigung/
welche der Natur nach bey ungleichen Geschlech-
te gleich ist.

12.

Endlich so viel die Gleichheit der Ge-
müths-Neigungen
betrifft. So lieben sich
zwar wollüstige und Ehrgeitzige Gemüther
den Scheine nach unter einander/ aber Geld-
geitzige
lieben niemand/ und werden wieder von

nie-

Das 5. Hauptſt. von der allgemeinen
oder wohl ja ſo leichte der Grund eines unge-
gruͤndeten Haſſes
als Liebe.

11.

Was das Geſchlecht betrifft/ ſo iſt bil-
lig zu bemercken/ daß die Ungleichheit deſſel-
ben eintzig und alleine unter denen Ungleichhei-
ten diejenige iſt/ die nicht nur an der Liebe nicht
hinderlich iſt/ ſondern vielmehr dieſelbe verurſa-
chet/ oder in einen groͤſſern Grad zum wenigſten
zu wege bringet. Nicht nur unter Leuten die ein-
ander unvernuͤnfftig lieben/ ſondern auch un-
ter unvernuͤnfftigen Menſchen; indem nicht al-
leine dieſe Zuneigung/ die der Menſch mit denen
Thieren gemein hat/ Leib mit Leib zu vermengen/
ſolches zu wege bringet/ ſondern auch/ wenn man
von derſelben abſtrahiret/ viel ein groͤſſeres Ver-
trauen/ Ehrfurcht/
und Weichhertzigkeit
unter Perſonen beyderley Geſchlechts/ als unter
denen von einerley Geſchlechte durch einen natuͤr-
lichen Trieb zu ſeyn pfleget. Daß man alſo
hieraus klaͤrlich ſiehet/ man muͤſſe die Gleich-
heit
die der Grund der Liebe iſt nicht ſo wohl
in aͤußerlichen Dingen ſuchen/ als wie das Ge-
ſchlechte iſt/ als in der innerlichen Zuneigung/
welche der Natur nach bey ungleichen Geſchlech-
te gleich iſt.

12.

Endlich ſo viel die Gleichheit der Ge-
muͤths-Neigungen
betrifft. So lieben ſich
zwar wolluͤſtige und Ehrgeitzige Gemuͤther
den Scheine nach unter einander/ aber Geld-
geitzige
lieben niemand/ und werden wieder von

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[204[202]/0234] Das 5. Hauptſt. von der allgemeinen oder wohl ja ſo leichte der Grund eines unge- gruͤndeten Haſſes als Liebe. 11. Was das Geſchlecht betrifft/ ſo iſt bil- lig zu bemercken/ daß die Ungleichheit deſſel- ben eintzig und alleine unter denen Ungleichhei- ten diejenige iſt/ die nicht nur an der Liebe nicht hinderlich iſt/ ſondern vielmehr dieſelbe verurſa- chet/ oder in einen groͤſſern Grad zum wenigſten zu wege bringet. Nicht nur unter Leuten die ein- ander unvernuͤnfftig lieben/ ſondern auch un- ter unvernuͤnfftigen Menſchen; indem nicht al- leine dieſe Zuneigung/ die der Menſch mit denen Thieren gemein hat/ Leib mit Leib zu vermengen/ ſolches zu wege bringet/ ſondern auch/ wenn man von derſelben abſtrahiret/ viel ein groͤſſeres Ver- trauen/ Ehrfurcht/ und Weichhertzigkeit unter Perſonen beyderley Geſchlechts/ als unter denen von einerley Geſchlechte durch einen natuͤr- lichen Trieb zu ſeyn pfleget. Daß man alſo hieraus klaͤrlich ſiehet/ man muͤſſe die Gleich- heit die der Grund der Liebe iſt nicht ſo wohl in aͤußerlichen Dingen ſuchen/ als wie das Ge- ſchlechte iſt/ als in der innerlichen Zuneigung/ welche der Natur nach bey ungleichen Geſchlech- te gleich iſt. 12. Endlich ſo viel die Gleichheit der Ge- muͤths-Neigungen betrifft. So lieben ſich zwar wolluͤſtige und Ehrgeitzige Gemuͤther den Scheine nach unter einander/ aber Geld- geitzige lieben niemand/ und werden wieder von nie-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 204[202]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/234>, abgerufen am 28.03.2024.