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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 6. Hauptst. von der absonderlichen
gleich nur noch Anfänger sind und auff der Tu-
gend-Bahn noch nicht eben allzuweit fortgewan-
dert haben; Wiewohl jederman gar leichte sie-
het/ daß auff diese Weise in der vernünfftigen
Liebe unterschiedene Grad geben müsse/ und daß
diese die allervortrefflichste sey/ wenn zwey oder
mehr Hertzen/ die schon die Gemüths-Ruhe er-
halten/ haben/ vereiniget sind.

25.

Weil wir dannenhero so wohl diejenigen
so auff der Tugend-Bahn zu wandeln anfangen/
als die so allbereit zum zweck gelanget/ für tu-
gendliebend achten; gleichwohl aber zum öfftern
als eine aus gemachte Sache erwehnet/ daß die
Liebe eine Gleichheit erfordere;
als ist noch
ferner nöthig zu wissen/ daß dem unerachtet die
vernünfftige Liebe nicht nur unter denen seyn kön-
ne/ die auff dem Tugend-Wege/ so zu sagen/ ne-
ben einander gehen/ sie mögen nun darinnen weit
avanciret seyn oder nicht/ sondern auch unter de-
nen/ da einer schon einen ziemlichen Vorsprung
für dem andern hat. Woraus ferner zu schlies-
sen ist/ daß bey der Liebe nur eine Gleichheit der
Beschaffenheit
und Inclinationen nicht aber
eine Gleichheit der Grade erfordert werde.

26.

Denn die Gleichheit wird nur erfordert/
wegen der Vereinigung. Leute die auff unter-
schiedenen Wegen wandeln/ können sich nicht ver-
einigen; aber wenn einer auf einem Wege gleich
den Vorsprung hat/ kan die Vereinigung wohl
geschehen/ wenn entweder dieser auff den andern

wartet/

Das 6. Hauptſt. von der abſonderlichen
gleich nur noch Anfaͤnger ſind und auff der Tu-
gend-Bahn noch nicht eben allzuweit fortgewan-
dert haben; Wiewohl jederman gar leichte ſie-
het/ daß auff dieſe Weiſe in der vernuͤnfftigen
Liebe unterſchiedene Grad geben muͤſſe/ und daß
dieſe die allervortrefflichſte ſey/ wenn zwey oder
mehr Hertzen/ die ſchon die Gemuͤths-Ruhe er-
halten/ haben/ vereiniget ſind.

25.

Weil wir dannenhero ſo wohl diejenigen
ſo auff der Tugend-Bahn zu wandeln anfangen/
als die ſo allbereit zum zweck gelanget/ fuͤr tu-
gendliebend achten; gleichwohl aber zum oͤfftern
als eine aus gemachte Sache erwehnet/ daß die
Liebe eine Gleichheit erfordere;
als iſt noch
ferner noͤthig zu wiſſen/ daß dem unerachtet die
vernuͤnfftige Liebe nicht nur unter denen ſeyn koͤn-
ne/ die auff dem Tugend-Wege/ ſo zu ſagen/ ne-
ben einander gehen/ ſie moͤgen nun darinnen weit
avanciret ſeyn oder nicht/ ſondern auch unter de-
nen/ da einer ſchon einen ziemlichen Vorſprung
fuͤr dem andern hat. Woraus ferner zu ſchlieſ-
ſen iſt/ daß bey der Liebe nur eine Gleichheit der
Beſchaffenheit
und Inclinationen nicht aber
eine Gleichheit der Grade erfordert werde.

26.

Denn die Gleichheit wird nur erfordert/
wegen der Vereinigung. Leute die auff unter-
ſchiedenen Wegen wandeln/ koͤnnen ſich nicht ver-
einigen; aber wenn einer auf einem Wege gleich
den Vorſprung hat/ kan die Vereinigung wohl
geſchehen/ wenn entweder dieſer auff den andern

wartet/
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[270[266]/0298] Das 6. Hauptſt. von der abſonderlichen gleich nur noch Anfaͤnger ſind und auff der Tu- gend-Bahn noch nicht eben allzuweit fortgewan- dert haben; Wiewohl jederman gar leichte ſie- het/ daß auff dieſe Weiſe in der vernuͤnfftigen Liebe unterſchiedene Grad geben muͤſſe/ und daß dieſe die allervortrefflichſte ſey/ wenn zwey oder mehr Hertzen/ die ſchon die Gemuͤths-Ruhe er- halten/ haben/ vereiniget ſind. 25. Weil wir dannenhero ſo wohl diejenigen ſo auff der Tugend-Bahn zu wandeln anfangen/ als die ſo allbereit zum zweck gelanget/ fuͤr tu- gendliebend achten; gleichwohl aber zum oͤfftern als eine aus gemachte Sache erwehnet/ daß die Liebe eine Gleichheit erfordere; als iſt noch ferner noͤthig zu wiſſen/ daß dem unerachtet die vernuͤnfftige Liebe nicht nur unter denen ſeyn koͤn- ne/ die auff dem Tugend-Wege/ ſo zu ſagen/ ne- ben einander gehen/ ſie moͤgen nun darinnen weit avanciret ſeyn oder nicht/ ſondern auch unter de- nen/ da einer ſchon einen ziemlichen Vorſprung fuͤr dem andern hat. Woraus ferner zu ſchlieſ- ſen iſt/ daß bey der Liebe nur eine Gleichheit der Beſchaffenheit und Inclinationen nicht aber eine Gleichheit der Grade erfordert werde. 26. Denn die Gleichheit wird nur erfordert/ wegen der Vereinigung. Leute die auff unter- ſchiedenen Wegen wandeln/ koͤnnen ſich nicht ver- einigen; aber wenn einer auf einem Wege gleich den Vorſprung hat/ kan die Vereinigung wohl geſchehen/ wenn entweder dieſer auff den andern wartet/

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 270[266]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/298>, abgerufen am 24.04.2024.