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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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vernünfftigen Liebe überhaupt.
nige ihnen rechtschaffen zu erkennen zu geben;) al-
leine ich ziele doch mehr auff die Augen des Her-
tzens
und die Gedancken. Wer rechtsehaffen
liebet/ der giebt auch auff die Person die er liebet
achtung/ wenn er die Augen an einen andern Ort
kehret/ nicht nur in denen Dingen die durch das
Gehör begriffen werden; sondern auch in denen
die sonst zum Gesichte gehören/ welches wohl lä-
cherlich zu seyn scheinet/ aber von einem jeden gar
leichte begriffen wird/ wer nur ein wenig darauff
achtung geben wil/ was man neben derjenigen Li-
nie da unsere Augen gerade auffgerichtet seyn/ se-
hen könne.

35.

Ja es muß zuweilen diese Sorgfältigkeit
auff dergleichen Art eingerichtet seyn/ daß man
dadurch in einer öffentlichen Gesellschafft die Lie-
be einer Person durch dieselbige suche/ und den-
noch niemand als diese Person selbst dieselbi-
ge gewahr werde/
weil wir von Lastern täglich
umbgeben seynd/ die die Tugend/ und also auch
die tugendliche Liebe neiden/ sie schmähen/ und ihr
taufend Verhindrungen in den Weg zu streuen
suchen. Diese Fall-Stricke würden wir nicht
entgehen können/ wenn wir stets eine Person/ die
wir hoch achteten/ mit unverwandten Augen an-
sähen/ und einen Unterscheid zwischen ihr und an-
dern Prrsonen/ den jederman merckte/ macheten.
Wer diese Sorgfältigkeit besitzt/ wird tausend
Gelegenheit finden/ indem er den äusserlichen
Scheine nach die gantze Gesellschafft gleich be-

scheiden

vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt.
nige ihnen rechtſchaffen zu erkennen zu geben;) al-
leine ich ziele doch mehr auff die Augen des Her-
tzens
und die Gedancken. Wer rechtſehaffen
liebet/ der giebt auch auff die Perſon die er liebet
achtung/ wenn er die Augen an einen andern Ort
kehret/ nicht nur in denen Dingen die durch das
Gehoͤr begriffen werden; ſondern auch in denen
die ſonſt zum Geſichte gehoͤren/ welches wohl laͤ-
cherlich zu ſeyn ſcheinet/ aber von einem jeden gar
leichte begriffen wird/ wer nur ein wenig darauff
achtung geben wil/ was man neben derjenigen Li-
nie da unſere Augen gerade auffgerichtet ſeyn/ ſe-
hen koͤnne.

35.

Ja es muß zuweilen dieſe Sorgfaͤltigkeit
auff dergleichen Art eingerichtet ſeyn/ daß man
dadurch in einer oͤffentlichen Geſellſchafft die Lie-
be einer Perſon durch dieſelbige ſuche/ und den-
noch niemand als dieſe Perſon ſelbſt dieſelbi-
ge gewahr werde/
weil wir von Laſtern taͤglich
umbgeben ſeynd/ die die Tugend/ und alſo auch
die tugendliche Liebe neiden/ ſie ſchmaͤhen/ und ihr
taufend Verhindrungen in den Weg zu ſtreuen
ſuchen. Dieſe Fall-Stricke wuͤrden wir nicht
entgehen koͤnnen/ wenn wir ſtets eine Perſon/ die
wir hoch achteten/ mit unverwandten Augen an-
ſaͤhen/ und einen Unterſcheid zwiſchen ihr und an-
dern Prrſonen/ den jederman merckte/ macheten.
Wer dieſe Sorgfaͤltigkeit beſitzt/ wird tauſend
Gelegenheit finden/ indem er den aͤuſſerlichen
Scheine nach die gantze Geſellſchafft gleich be-

ſcheiden
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[275[271]/0303] vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt. nige ihnen rechtſchaffen zu erkennen zu geben;) al- leine ich ziele doch mehr auff die Augen des Her- tzens und die Gedancken. Wer rechtſehaffen liebet/ der giebt auch auff die Perſon die er liebet achtung/ wenn er die Augen an einen andern Ort kehret/ nicht nur in denen Dingen die durch das Gehoͤr begriffen werden; ſondern auch in denen die ſonſt zum Geſichte gehoͤren/ welches wohl laͤ- cherlich zu ſeyn ſcheinet/ aber von einem jeden gar leichte begriffen wird/ wer nur ein wenig darauff achtung geben wil/ was man neben derjenigen Li- nie da unſere Augen gerade auffgerichtet ſeyn/ ſe- hen koͤnne. 35. Ja es muß zuweilen dieſe Sorgfaͤltigkeit auff dergleichen Art eingerichtet ſeyn/ daß man dadurch in einer oͤffentlichen Geſellſchafft die Lie- be einer Perſon durch dieſelbige ſuche/ und den- noch niemand als dieſe Perſon ſelbſt dieſelbi- ge gewahr werde/ weil wir von Laſtern taͤglich umbgeben ſeynd/ die die Tugend/ und alſo auch die tugendliche Liebe neiden/ ſie ſchmaͤhen/ und ihr taufend Verhindrungen in den Weg zu ſtreuen ſuchen. Dieſe Fall-Stricke wuͤrden wir nicht entgehen koͤnnen/ wenn wir ſtets eine Perſon/ die wir hoch achteten/ mit unverwandten Augen an- ſaͤhen/ und einen Unterſcheid zwiſchen ihr und an- dern Prrſonen/ den jederman merckte/ macheten. Wer dieſe Sorgfaͤltigkeit beſitzt/ wird tauſend Gelegenheit finden/ indem er den aͤuſſerlichen Scheine nach die gantze Geſellſchafft gleich be- ſcheiden

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 275[271]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/303>, abgerufen am 28.03.2024.