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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 6. H. von der absonderlichen
40.

Die von der letzten Classe sind dannen-
hero so beschaffen/ daß man von ihnen billig sagen
kan/ nichtswürdige Dinge seyen die kostbar-
sten in der Liebe/ oder man könne die gröste
Glückseligkeit und die kostbarste und theu-
reste Waare/
nemlich die absonderliche Liebe/
um nichts erkauffen. Alle die kleinen Gefäl-
ligkeiten/ die man dem andern erweiset/ sind
nichts; Denn derjenige/ der sie leistet/ würde sehr
ausgelachet werden/ wenn er sie dem andern als
etwas nur von dem geringsten Werth anrechnen/
oder nur als eine Wohlthat vorrücken wolte. A-
ber in Gegentheil hält sie derjenige/ dem sie er-
wiesen werden/ desto höher/ je vornehmer sonsten
die Person ist/ die sie leistet/ und je tieffer die Sub-
mission
ist/ die man dadurch bezeiget. Derowe-
gen geschiehet es auch/ daß man zum öfftern durch
eine eintzige solche Gefälligkeit das Hertze eines
Freundes oder Freundin auf einmahl überkömmt.

41.

Solcher gestalt aber ist sich desto mehr zu
verwundern/ daß sehr wenig Leute in der
Welt seyn/ die sich dieser Handelschafft be-
fleißigen/
und das unschätzbare Kleinod wahrer
Freundschafft und Liebe so wohlfeilen Kauffs an
sich zu bringen wissen/ welches theils daher ge-
schiehet/ daß sie gegen alle Menschen nachläs-
sig
und nicht leutselig noch bescheiden seyn/ oder
weil sie es sich für eine Schande achten solche
Dinge zu thun/ die denen Dienern zukommen;
da doch die guten Leute nicht verstehen/ daß des-

halben
Das 6. H. von der abſonderlichen
40.

Die von der letzten Claſſe ſind dannen-
hero ſo beſchaffen/ daß man von ihnen billig ſagen
kan/ nichtswuͤrdige Dinge ſeyen die koſtbar-
ſten in der Liebe/ oder man koͤnne die groͤſte
Gluͤckſeligkeit und die koſtbarſte und theu-
reſte Waare/
nemlich die abſonderliche Liebe/
um nichts erkauffen. Alle die kleinen Gefaͤl-
ligkeiten/ die man dem andern erweiſet/ ſind
nichts; Denn derjenige/ der ſie leiſtet/ wuͤrde ſehr
ausgelachet werden/ wenn er ſie dem andern als
etwas nur von dem geringſten Werth anrechnen/
oder nur als eine Wohlthat vorruͤcken wolte. A-
ber in Gegentheil haͤlt ſie derjenige/ dem ſie er-
wieſen werden/ deſto hoͤher/ je vornehmer ſonſten
die Perſon iſt/ die ſie leiſtet/ und je tieffer die Sub-
miſſion
iſt/ die man dadurch bezeiget. Derowe-
gen geſchiehet es auch/ daß man zum oͤfftern durch
eine eintzige ſolche Gefaͤlligkeit das Hertze eines
Freundes oder Freundin auf einmahl uͤberkoͤm̃t.

41.

Solcher geſtalt aber iſt ſich deſto mehr zu
verwundern/ daß ſehr wenig Leute in der
Welt ſeyn/ die ſich dieſer Handelſchafft be-
fleißigen/
und das unſchaͤtzbare Kleinod wahrer
Freundſchafft und Liebe ſo wohlfeilen Kauffs an
ſich zu bringen wiſſen/ welches theils daher ge-
ſchiehet/ daß ſie gegen alle Menſchen nachlaͤſ-
ſig
und nicht leutſelig noch beſcheiden ſeyn/ oder
weil ſie es ſich fuͤr eine Schande achten ſolche
Dinge zu thun/ die denen Dienern zukommen;
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[278[274]/0306] Das 6. H. von der abſonderlichen 40. Die von der letzten Claſſe ſind dannen- hero ſo beſchaffen/ daß man von ihnen billig ſagen kan/ nichtswuͤrdige Dinge ſeyen die koſtbar- ſten in der Liebe/ oder man koͤnne die groͤſte Gluͤckſeligkeit und die koſtbarſte und theu- reſte Waare/ nemlich die abſonderliche Liebe/ um nichts erkauffen. Alle die kleinen Gefaͤl- ligkeiten/ die man dem andern erweiſet/ ſind nichts; Denn derjenige/ der ſie leiſtet/ wuͤrde ſehr ausgelachet werden/ wenn er ſie dem andern als etwas nur von dem geringſten Werth anrechnen/ oder nur als eine Wohlthat vorruͤcken wolte. A- ber in Gegentheil haͤlt ſie derjenige/ dem ſie er- wieſen werden/ deſto hoͤher/ je vornehmer ſonſten die Perſon iſt/ die ſie leiſtet/ und je tieffer die Sub- miſſion iſt/ die man dadurch bezeiget. Derowe- gen geſchiehet es auch/ daß man zum oͤfftern durch eine eintzige ſolche Gefaͤlligkeit das Hertze eines Freundes oder Freundin auf einmahl uͤberkoͤm̃t. 41. Solcher geſtalt aber iſt ſich deſto mehr zu verwundern/ daß ſehr wenig Leute in der Welt ſeyn/ die ſich dieſer Handelſchafft be- fleißigen/ und das unſchaͤtzbare Kleinod wahrer Freundſchafft und Liebe ſo wohlfeilen Kauffs an ſich zu bringen wiſſen/ welches theils daher ge- ſchiehet/ daß ſie gegen alle Menſchen nachlaͤſ- ſig und nicht leutſelig noch beſcheiden ſeyn/ oder weil ſie es ſich fuͤr eine Schande achten ſolche Dinge zu thun/ die denen Dienern zukommen; da doch die guten Leute nicht verſtehen/ daß des- halben

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 278[274]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/306>, abgerufen am 28.03.2024.