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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 6. Hauptst. von der absonderlichen
meinen Leutseligkeit/ gleichwie sie gar keine
absonderliche Liebe anzeigen/ sondern allen Men-
schen erwiesen werden sollen/ auch in so geringen
Dingen bestehen/ daß man dieselben für keine
Liebes-Dienste ausgeben kan; also können sie
auch so wohl bey der Schein-als warhafftigen
Liebe
vorgehen.

64.

Fast gleiche Bewandniß hat es mit de-
nen Diensten/ der sorgfältigen Gefälligkeit/

weil sie eben so geringe sind als die Dienstleistun-
gen der Leutseeligkeit/ und nur darinnen von de-
nenselben unterschieden sind/ daß wir bey der
Leutseeligkeit alle Menschen gleich tractiren/ und
durch dieselbe auch uns andern Menschen gleich
halten/ bey der Gefälligkeit aber/ wie erwehnet/
andern durch gewisse Merckmahle den Unter-
scheid/ den wir zwischen ihnen und andern machen
zu verstehen geben/ auch zum öfftern bey denen-
selben uns ihnen sehr submittiren. Solcherge-
stalt aber kan so wohl die vernünfftige als un-
vernünfftige
Liebe sich dergleichen Gefälligkeit
bedienen/ nur daß dieselbe bey der falschen Liebe
durch ihre nothwendige Affectation sehr käntlich
wird.

65.

Ob aber wohl die Gutthätigkeit da-
durch so wohl von der Leutseeligkeit als Gefällig-
keit unterschieden wird/ daß die Gutthaten kost-
bar und mühsam
seyn müssen. So ist doch
dieser Unterscheid noch lange nicht genug die ver-
nünfftige
und unvernünfftige Liebe von ein-

ander

Das 6. Hauptſt. von der abſonderlichen
meinen Leutſeligkeit/ gleichwie ſie gar keine
abſonderliche Liebe anzeigen/ ſondern allen Men-
ſchen erwieſen werden ſollen/ auch in ſo geringen
Dingen beſtehen/ daß man dieſelben fuͤr keine
Liebes-Dienſte ausgeben kan; alſo koͤnnen ſie
auch ſo wohl bey der Schein-als warhafftigen
Liebe
vorgehen.

64.

Faſt gleiche Bewandniß hat es mit de-
nen Dienſten/ der ſorgfaͤltigen Gefaͤlligkeit/

weil ſie eben ſo geringe ſind als die Dienſtleiſtun-
gen der Leutſeeligkeit/ und nur darinnen von de-
nenſelben unterſchieden ſind/ daß wir bey der
Leutſeeligkeit alle Menſchen gleich tractiren/ und
durch dieſelbe auch uns andern Menſchen gleich
halten/ bey der Gefaͤlligkeit aber/ wie erwehnet/
andern durch gewiſſe Merckmahle den Unter-
ſcheid/ den wir zwiſchen ihnen und andern machen
zu verſtehen geben/ auch zum oͤfftern bey denen-
ſelben uns ihnen ſehr ſubmittiren. Solcherge-
ſtalt aber kan ſo wohl die vernuͤnfftige als un-
vernuͤnfftige
Liebe ſich dergleichen Gefaͤlligkeit
bedienen/ nur daß dieſelbe bey der falſchen Liebe
durch ihre nothwendige Affectation ſehr kaͤntlich
wird.

65.

Ob aber wohl die Gutthaͤtigkeit da-
durch ſo wohl von der Leutſeeligkeit als Gefaͤllig-
keit unterſchieden wird/ daß die Gutthaten koſt-
bar und muͤhſam
ſeyn muͤſſen. So iſt doch
dieſer Unterſcheid noch lange nicht genug die ver-
nuͤnfftige
und unvernuͤnfftige Liebe von ein-

ander
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[290[286]/0318] Das 6. Hauptſt. von der abſonderlichen meinen Leutſeligkeit/ gleichwie ſie gar keine abſonderliche Liebe anzeigen/ ſondern allen Men- ſchen erwieſen werden ſollen/ auch in ſo geringen Dingen beſtehen/ daß man dieſelben fuͤr keine Liebes-Dienſte ausgeben kan; alſo koͤnnen ſie auch ſo wohl bey der Schein-als warhafftigen Liebe vorgehen. 64. Faſt gleiche Bewandniß hat es mit de- nen Dienſten/ der ſorgfaͤltigen Gefaͤlligkeit/ weil ſie eben ſo geringe ſind als die Dienſtleiſtun- gen der Leutſeeligkeit/ und nur darinnen von de- nenſelben unterſchieden ſind/ daß wir bey der Leutſeeligkeit alle Menſchen gleich tractiren/ und durch dieſelbe auch uns andern Menſchen gleich halten/ bey der Gefaͤlligkeit aber/ wie erwehnet/ andern durch gewiſſe Merckmahle den Unter- ſcheid/ den wir zwiſchen ihnen und andern machen zu verſtehen geben/ auch zum oͤfftern bey denen- ſelben uns ihnen ſehr ſubmittiren. Solcherge- ſtalt aber kan ſo wohl die vernuͤnfftige als un- vernuͤnfftige Liebe ſich dergleichen Gefaͤlligkeit bedienen/ nur daß dieſelbe bey der falſchen Liebe durch ihre nothwendige Affectation ſehr kaͤntlich wird. 65. Ob aber wohl die Gutthaͤtigkeit da- durch ſo wohl von der Leutſeeligkeit als Gefaͤllig- keit unterſchieden wird/ daß die Gutthaten koſt- bar und muͤhſam ſeyn muͤſſen. So iſt doch dieſer Unterſcheid noch lange nicht genug die ver- nuͤnfftige und unvernuͤnfftige Liebe von ein- ander

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 290[286]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/318>, abgerufen am 28.03.2024.