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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 7. H. von den unterschiedenen
antworten soll/ so müssen wir sagen: daß die stär-
ckere
Liebe entweder vor diejenige genommen
werde/ derer Trieb hitziger ist/ oder für dieje-
nige/ die stärckere Liebes-Proben giebet.

25.

Die Liebe/ so bald angefangen/ ist frey-
lich hitziger/
weil auf diese Art gemeiniglich
Leute/ die nur die Tugend-Straffe zu betreten
anfangen/ und einander gleich sind/ oder in der
ungleichen Liebe diejenigen/ so geringer sind/ zu
lieben pflegen; und diese haben allerdings bey
ihrer Liebe noch viel Hitze/ weil sie ihrer affecten
wenig Meister sind. Da hingegen ein weiser
Mann/ der in der ungleichen Liebe mehrentheils
par recognoissance liebet/ zwar alles dasjenige
empfindet/ was die wahre Liebe in unsern Her-
tzen wircket/ aber doch seine Glut mehr mit einem
wärmenden und ernährenden/ als einem verzeh-
renden Feuer zu vergleichen ist.

26.

Derowegen wenn wir die stärckere Lie-
be
aus denen Liebes-Proben erkennen wollen/
muß nothwendig folgen/ daß gleichwie ein ver-
zehrendes Feuer mehr Flamme/ ein ernährendes
aber mehr Wärme giebet; also auch die Lie-
bes-Proben in der Liebe die bald fänget dem
äusserlichen Scheine nach sehr groß/
aber
auch/ wenn man sie ein wenig genau betrachtet/
annoch mit vieler Eitelkeit umgeben sind/ da
hingegen/ wenn in der Liebe par recognoissan-
ce
die vortrefflichere Person ihr Leben für die an-
dere zu lassen bereit ist/ diese Bereitwilligkeit viel

ver-

Das 7. H. von den unterſchiedenen
antworten ſoll/ ſo muͤſſen wir ſagen: daß die ſtaͤr-
ckere
Liebe entweder vor diejenige genommen
werde/ derer Trieb hitziger iſt/ oder fuͤr dieje-
nige/ die ſtaͤrckere Liebes-Proben giebet.

25.

Die Liebe/ ſo bald angefangen/ iſt frey-
lich hitziger/
weil auf dieſe Art gemeiniglich
Leute/ die nur die Tugend-Straffe zu betreten
anfangen/ und einander gleich ſind/ oder in der
ungleichen Liebe diejenigen/ ſo geringer ſind/ zu
lieben pflegen; und dieſe haben allerdings bey
ihrer Liebe noch viel Hitze/ weil ſie ihrer affecten
wenig Meiſter ſind. Da hingegen ein weiſer
Mann/ der in der ungleichen Liebe mehrentheils
par recognoiſſance liebet/ zwar alles dasjenige
empfindet/ was die wahre Liebe in unſern Her-
tzen wircket/ aber doch ſeine Glut mehr mit einem
waͤrmenden und ernaͤhrenden/ als einem verzeh-
renden Feuer zu vergleichen iſt.

26.

Derowegen wenn wir die ſtaͤrckere Lie-
be
aus denen Liebes-Proben erkennen wollen/
muß nothwendig folgen/ daß gleichwie ein ver-
zehrendes Feuer mehr Flamme/ ein ernaͤhrendes
aber mehr Waͤrme giebet; alſo auch die Lie-
bes-Proben in der Liebe die bald faͤnget dem
aͤuſſerlichen Scheine nach ſehr groß/
aber
auch/ wenn man ſie ein wenig genau betrachtet/
annoch mit vieler Eitelkeit umgeben ſind/ da
hingegen/ wenn in der Liebe par recognoiſſan-
ce
die vortrefflichere Perſon ihr Leben fuͤr die an-
dere zu laſſen bereit iſt/ dieſe Bereitwilligkeit viel

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[330[326]/0358] Das 7. H. von den unterſchiedenen antworten ſoll/ ſo muͤſſen wir ſagen: daß die ſtaͤr- ckere Liebe entweder vor diejenige genommen werde/ derer Trieb hitziger iſt/ oder fuͤr dieje- nige/ die ſtaͤrckere Liebes-Proben giebet. 25. Die Liebe/ ſo bald angefangen/ iſt frey- lich hitziger/ weil auf dieſe Art gemeiniglich Leute/ die nur die Tugend-Straffe zu betreten anfangen/ und einander gleich ſind/ oder in der ungleichen Liebe diejenigen/ ſo geringer ſind/ zu lieben pflegen; und dieſe haben allerdings bey ihrer Liebe noch viel Hitze/ weil ſie ihrer affecten wenig Meiſter ſind. Da hingegen ein weiſer Mann/ der in der ungleichen Liebe mehrentheils par recognoiſſance liebet/ zwar alles dasjenige empfindet/ was die wahre Liebe in unſern Her- tzen wircket/ aber doch ſeine Glut mehr mit einem waͤrmenden und ernaͤhrenden/ als einem verzeh- renden Feuer zu vergleichen iſt. 26. Derowegen wenn wir die ſtaͤrckere Lie- be aus denen Liebes-Proben erkennen wollen/ muß nothwendig folgen/ daß gleichwie ein ver- zehrendes Feuer mehr Flamme/ ein ernaͤhrendes aber mehr Waͤrme giebet; alſo auch die Lie- bes-Proben in der Liebe die bald faͤnget dem aͤuſſerlichen Scheine nach ſehr groß/ aber auch/ wenn man ſie ein wenig genau betrachtet/ annoch mit vieler Eitelkeit umgeben ſind/ da hingegen/ wenn in der Liebe par recognoiſſan- ce die vortrefflichere Perſon ihr Leben fuͤr die an- dere zu laſſen bereit iſt/ dieſe Bereitwilligkeit viel ver-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 330[326]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/358>, abgerufen am 18.04.2024.