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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 7. H. von der unterschiedenen
Wtr müssen dasselbige nicht zu sehr niederdrü-
cken/ und uns durchgehends mehr Geschicklig-
keit und Tugend als ihnen zuschreiben; wir müs-
sen aber auch durch unsere Schmeicheley ihre
Eitelkeit nicht stärcken/ wenn viele unter ihnen
meinen/ daß die Mannes-Bilder durchgehends
schuldig wären ihre Vortreffligkeiten zu erken-
nen/ und sich denenselben freywillig zu unterwerf-
fen. Ein jedes Geschlechte hat tugendhaffte
und lasterhaffte Personen/ und zwar jede von
unterschiedenen Graden unter sich/ derowegen
würde ein Frauen-Zimmer das allemahl praeten-
dir
te/ daß man gegen sie les premiers pas machen
solte/ aus diesen Unförmligkeiten gewiß eine be-
gehen/ entweder daß sie wider alle Billigkeit ei-
nen Menschen der vortrefflicher in der Tu-
gend als sie wäre/ nöthigen wolte/ sich ohne Ursa-
che zu erniedrigen/
und ihr seine Liebe am er-
sten zu verstehen zu geben/ oder daß sie nur ihr
Vergnügen darinnen suchte/ von unvollkom-
menen Personen
geliebet zu werden/ und sich des
Vergnügens berauben wolte/ das man hat/ wenn
man durch Liebe vortrefflicherer Personen in der
Tugend immer mehr und mehr zunimmt/ oder
daß sie die eitele Einbildung hätte/ sie wäre die
Vortreffligkeit selbsten/ und sey keine Mannes-
Person in der Welt/ die mehr Verdienst und
Tugend hätte als sie.

33.

(VI) Endlich so wird auch aus unserer
Sitten-Lehre die Frage leicht zu entscheiden seyn:

Ob

Das 7. H. von der unterſchiedenen
Wtr muͤſſen daſſelbige nicht zu ſehr niederdruͤ-
cken/ und uns durchgehends mehr Geſchicklig-
keit und Tugend als ihnen zuſchreiben; wir muͤſ-
ſen aber auch durch unſere Schmeicheley ihre
Eitelkeit nicht ſtaͤrcken/ wenn viele unter ihnen
meinen/ daß die Mannes-Bilder durchgehends
ſchuldig waͤren ihre Vortreffligkeiten zu erken-
nen/ und ſich denenſelben freywillig zu unterwerf-
fen. Ein jedes Geſchlechte hat tugendhaffte
und laſterhaffte Perſonen/ und zwar jede von
unterſchiedenen Graden unter ſich/ derowegen
wuͤrde ein Frauen-Zimmer das allemahl præten-
dir
te/ daß man gegen ſie les premiers pas machen
ſolte/ aus dieſen Unfoͤrmligkeiten gewiß eine be-
gehen/ entweder daß ſie wider alle Billigkeit ei-
nen Menſchen der vortrefflicher in der Tu-
gend als ſie waͤre/ noͤthigen wolte/ ſich ohne Urſa-
che zu erniedrigen/
und ihr ſeine Liebe am er-
ſten zu verſtehen zu geben/ oder daß ſie nur ihr
Vergnuͤgen darinnen ſuchte/ von unvollkom-
menen Perſonen
geliebet zu werden/ und ſich des
Vergnuͤgens berauben wolte/ das man hat/ wenn
man durch Liebe vortrefflicherer Perſonen in der
Tugend immer mehr und mehr zunimmt/ oder
daß ſie die eitele Einbildung haͤtte/ ſie waͤre die
Vortreffligkeit ſelbſten/ und ſey keine Mannes-
Perſon in der Welt/ die mehr Verdienſt und
Tugend haͤtte als ſie.

33.

(VI) Endlich ſo wird auch aus unſerer
Sitten-Lehre die Frage leicht zu entſcheiden ſeyn:

Ob
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[334[330]/0362] Das 7. H. von der unterſchiedenen Wtr muͤſſen daſſelbige nicht zu ſehr niederdruͤ- cken/ und uns durchgehends mehr Geſchicklig- keit und Tugend als ihnen zuſchreiben; wir muͤſ- ſen aber auch durch unſere Schmeicheley ihre Eitelkeit nicht ſtaͤrcken/ wenn viele unter ihnen meinen/ daß die Mannes-Bilder durchgehends ſchuldig waͤren ihre Vortreffligkeiten zu erken- nen/ und ſich denenſelben freywillig zu unterwerf- fen. Ein jedes Geſchlechte hat tugendhaffte und laſterhaffte Perſonen/ und zwar jede von unterſchiedenen Graden unter ſich/ derowegen wuͤrde ein Frauen-Zimmer das allemahl præten- dirte/ daß man gegen ſie les premiers pas machen ſolte/ aus dieſen Unfoͤrmligkeiten gewiß eine be- gehen/ entweder daß ſie wider alle Billigkeit ei- nen Menſchen der vortrefflicher in der Tu- gend als ſie waͤre/ noͤthigen wolte/ ſich ohne Urſa- che zu erniedrigen/ und ihr ſeine Liebe am er- ſten zu verſtehen zu geben/ oder daß ſie nur ihr Vergnuͤgen darinnen ſuchte/ von unvollkom- menen Perſonen geliebet zu werden/ und ſich des Vergnuͤgens berauben wolte/ das man hat/ wenn man durch Liebe vortrefflicherer Perſonen in der Tugend immer mehr und mehr zunimmt/ oder daß ſie die eitele Einbildung haͤtte/ ſie waͤre die Vortreffligkeit ſelbſten/ und ſey keine Mannes- Perſon in der Welt/ die mehr Verdienſt und Tugend haͤtte als ſie. 33. (VI) Endlich ſo wird auch aus unſerer Sitten-Lehre die Frage leicht zu entſcheiden ſeyn: Ob

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 334[330]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/362>, abgerufen am 19.04.2024.