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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Glückseligkeit des Menschen.
des Frantzösischen Satyrici in ihren Dedicatio-
nibus,
mit denen sie die ungeschicktesten Staats-
Minister,
oder die unwürdigsten Wuchrer beeh-
ren/ auff Hebräisch/ Griechisch und Lateinisch be-
weisen wollen/ daß dieselben die Gelehrtesten
und Tugendhafftesten Leute seyn. Daß ich
nichts erwehne von dem/ daß/ da es sonst hiesse:
Die Ehre ist der Tugend Lohn; heut zu Ta-
ge in der gantzen Welt die Ehre öffentlich mit
Gelde erkaufft wird.

11.

Was die Freunde betrifft/ halte ich vor
nöthig dieses zu erinnern/ daß wenn die Freun-
de unter die Güter des Glücks gerechnet wer-
den/ weil derer Mangel endlich den Menschen
nicht elend macht/ eine Menge solcher Men-
schen
dadurch verstanden werde/ die reich oder
mächtig sind/ und wegen ihres eigenen Interesse
unser Glücke zu befördern/ und unsern Schaden
zu wenden suchen. Jn dergleichen Freunden
kan so viel destoweniger die gröste Glückselig-
keit bestehen/ je mehr unstreitig ist/ daß ein wei-
ser und tugendhaffter Mann nicht viel
Freunde haben könne/
sondern nothwendig
viel/ viel Feinde haben müsse/ weil er sonst nicht
weise und tugendhafft seyn würde. Wor-
bey nicht zu vergessen/ daß diejenigen/ die
in dieser Welt sich jederman zum Freun-
de machen
und niemand erzörnen wollen/
am elendesten dran seyn/ weil sie sich den
grösten Verdruß täglich anthun/ und dennoch

die

Gluͤckſeligkeit des Menſchen.
des Frantzoͤſiſchen Satyrici in ihren Dedicatio-
nibus,
mit denen ſie die ungeſchickteſten Staats-
Miniſter,
oder die unwuͤrdigſten Wuchrer beeh-
ren/ auff Hebraͤiſch/ Griechiſch und Lateiniſch be-
weiſen wollen/ daß dieſelben die Gelehrteſten
und Tugendhaffteſten Leute ſeyn. Daß ich
nichts erwehne von dem/ daß/ da es ſonſt hieſſe:
Die Ehre iſt der Tugend Lohn; heut zu Ta-
ge in der gantzen Welt die Ehre oͤffentlich mit
Gelde erkaufft wird.

11.

Was die Freunde betrifft/ halte ich vor
noͤthig dieſes zu erinnern/ daß wenn die Freun-
de unter die Guͤter des Gluͤcks gerechnet wer-
den/ weil derer Mangel endlich den Menſchen
nicht elend macht/ eine Menge ſolcher Men-
ſchen
dadurch verſtanden werde/ die reich oder
maͤchtig ſind/ und wegen ihres eigenen Intereſſe
unſer Gluͤcke zu befoͤrdern/ und unſern Schaden
zu wenden ſuchen. Jn dergleichen Freunden
kan ſo viel deſtoweniger die groͤſte Gluͤckſelig-
keit beſtehen/ je mehr unſtreitig iſt/ daß ein wei-
ſer und tugendhaffter Mann nicht viel
Freunde haben koͤnne/
ſondern nothwendig
viel/ viel Feinde haben muͤſſe/ weil er ſonſt nicht
weiſe und tugendhafft ſeyn wuͤrde. Wor-
bey nicht zu vergeſſen/ daß diejenigen/ die
in dieſer Welt ſich jederman zum Freun-
de machen
und niemand erzoͤrnen wollen/
am elendeſten dran ſeyn/ weil ſie ſich den
groͤſten Verdruß taͤglich anthun/ und dennoch

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[61/0093] Gluͤckſeligkeit des Menſchen. des Frantzoͤſiſchen Satyrici in ihren Dedicatio- nibus, mit denen ſie die ungeſchickteſten Staats- Miniſter, oder die unwuͤrdigſten Wuchrer beeh- ren/ auff Hebraͤiſch/ Griechiſch und Lateiniſch be- weiſen wollen/ daß dieſelben die Gelehrteſten und Tugendhaffteſten Leute ſeyn. Daß ich nichts erwehne von dem/ daß/ da es ſonſt hieſſe: Die Ehre iſt der Tugend Lohn; heut zu Ta- ge in der gantzen Welt die Ehre oͤffentlich mit Gelde erkaufft wird. 11. Was die Freunde betrifft/ halte ich vor noͤthig dieſes zu erinnern/ daß wenn die Freun- de unter die Guͤter des Gluͤcks gerechnet wer- den/ weil derer Mangel endlich den Menſchen nicht elend macht/ eine Menge ſolcher Men- ſchen dadurch verſtanden werde/ die reich oder maͤchtig ſind/ und wegen ihres eigenen Intereſſe unſer Gluͤcke zu befoͤrdern/ und unſern Schaden zu wenden ſuchen. Jn dergleichen Freunden kan ſo viel deſtoweniger die groͤſte Gluͤckſelig- keit beſtehen/ je mehr unſtreitig iſt/ daß ein wei- ſer und tugendhaffter Mann nicht viel Freunde haben koͤnne/ ſondern nothwendig viel/ viel Feinde haben muͤſſe/ weil er ſonſt nicht weiſe und tugendhafft ſeyn wuͤrde. Wor- bey nicht zu vergeſſen/ daß diejenigen/ die in dieſer Welt ſich jederman zum Freun- de machen und niemand erzoͤrnen wollen/ am elendeſten dran ſeyn/ weil ſie ſich den groͤſten Verdruß taͤglich anthun/ und dennoch die

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/93>, abgerufen am 29.03.2024.