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Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826.

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A. Wirthschaften mit wachsendem Reichthum des Bodens.

Man pflegt bei der Vergleichung zweier Wirthschafts-
systeme es als einen Vorzug des einen oder des andern
anzuführen, daß durch dasselbe der Acker von Umlauf zu
Umlauf an Reichthum und Ertrag zunehme.

Nun ist es aber kein wesentliches Attribut des einen
oder andern Wirthschaftssystems, daß es den Boden be-
reichere oder erschöpfe. Man kann den Acker eben so wohl
durch Koppel- und Fruchtwechselwirthschaft, als durch Drei-
felderwirthschaft aussaugen. Eine 6schlägige F. W. W.
mit 4 Kornsaten ist, so wie die 7schlägige K. W. mit 4
Halmfrüchten eine aussaugende Wirthschaft; dagegen sind
die 7schlägige F. W. W. mit 3 und die 6schlägige K. W.
mit 2 Kornsaaten bereichernde Wirthschaften. Nicht in
der Fruchtfolge, nicht in dem Wirthschaftssystem liegt es,
ob eine Wirthschaft eine bereichernde oder erschöpfende sey;
sondern lediglich in dem Verhältniß zwischen den dunger-
zeugenden und den erschöpfenden Früchten -- für welches
Verhältniß ich, der Kürze wegen, mich künftig des Worts
"Saatenverhältniß" bedienen werde.

Stellt man nun zwei Güter mit zwei verschiedenen
Wirthschaftssystemen gegen einander, und nimmt für das
eine ein bereicherndes, für das andere ein erschöpfendes
Saatenverhältniß an, und will man nun aus dem endli-
chen Erfolge -- gleichviel ob dieser aus einer richtigen
Berechnung, oder aus der wirklichen Erfahrung hervor-
gehe -- darthun, welches Wirthschaftssystem den Vorzug
verdiene: so beantwortet diese Untersuchung nur die Frage,
ob der, durch die schonende Wirthschaft bereicherte Boden,
am Ende einen höhern Werth habe, als der in seinem
vorigen Zustand gebliebene ärmere Boden -- eine Frage,
über deren Beantwortung an sich gar kein Zweifel statt
finden kann.

Bei einer solchen Gegeneinanderstellung muß stets

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A. Wirthſchaften mit wachſendem Reichthum des Bodens.

Man pflegt bei der Vergleichung zweier Wirthſchafts-
ſyſteme es als einen Vorzug des einen oder des andern
anzufuͤhren, daß durch daſſelbe der Acker von Umlauf zu
Umlauf an Reichthum und Ertrag zunehme.

Nun iſt es aber kein weſentliches Attribut des einen
oder andern Wirthſchaftsſyſtems, daß es den Boden be-
reichere oder erſchoͤpfe. Man kann den Acker eben ſo wohl
durch Koppel- und Fruchtwechſelwirthſchaft, als durch Drei-
felderwirthſchaft ausſaugen. Eine 6ſchlaͤgige F. W. W.
mit 4 Kornſaten iſt, ſo wie die 7ſchlaͤgige K. W. mit 4
Halmfruͤchten eine ausſaugende Wirthſchaft; dagegen ſind
die 7ſchlaͤgige F. W. W. mit 3 und die 6ſchlaͤgige K. W.
mit 2 Kornſaaten bereichernde Wirthſchaften. Nicht in
der Fruchtfolge, nicht in dem Wirthſchaftsſyſtem liegt es,
ob eine Wirthſchaft eine bereichernde oder erſchoͤpfende ſey;
ſondern lediglich in dem Verhaͤltniß zwiſchen den dunger-
zeugenden und den erſchoͤpfenden Fruͤchten — fuͤr welches
Verhaͤltniß ich, der Kuͤrze wegen, mich kuͤnftig des Worts
«Saatenverhaͤltniß» bedienen werde.

Stellt man nun zwei Guͤter mit zwei verſchiedenen
Wirthſchaftsſyſtemen gegen einander, und nimmt fuͤr das
eine ein bereicherndes, fuͤr das andere ein erſchoͤpfendes
Saatenverhaͤltniß an, und will man nun aus dem endli-
chen Erfolge — gleichviel ob dieſer aus einer richtigen
Berechnung, oder aus der wirklichen Erfahrung hervor-
gehe — darthun, welches Wirthſchaftsſyſtem den Vorzug
verdiene: ſo beantwortet dieſe Unterſuchung nur die Frage,
ob der, durch die ſchonende Wirthſchaft bereicherte Boden,
am Ende einen hoͤhern Werth habe, als der in ſeinem
vorigen Zuſtand gebliebene aͤrmere Boden — eine Frage,
uͤber deren Beantwortung an ſich gar kein Zweifel ſtatt
finden kann.

Bei einer ſolchen Gegeneinanderſtellung muß ſtets

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[113/0127] A. Wirthſchaften mit wachſendem Reichthum des Bodens. Man pflegt bei der Vergleichung zweier Wirthſchafts- ſyſteme es als einen Vorzug des einen oder des andern anzufuͤhren, daß durch daſſelbe der Acker von Umlauf zu Umlauf an Reichthum und Ertrag zunehme. Nun iſt es aber kein weſentliches Attribut des einen oder andern Wirthſchaftsſyſtems, daß es den Boden be- reichere oder erſchoͤpfe. Man kann den Acker eben ſo wohl durch Koppel- und Fruchtwechſelwirthſchaft, als durch Drei- felderwirthſchaft ausſaugen. Eine 6ſchlaͤgige F. W. W. mit 4 Kornſaten iſt, ſo wie die 7ſchlaͤgige K. W. mit 4 Halmfruͤchten eine ausſaugende Wirthſchaft; dagegen ſind die 7ſchlaͤgige F. W. W. mit 3 und die 6ſchlaͤgige K. W. mit 2 Kornſaaten bereichernde Wirthſchaften. Nicht in der Fruchtfolge, nicht in dem Wirthſchaftsſyſtem liegt es, ob eine Wirthſchaft eine bereichernde oder erſchoͤpfende ſey; ſondern lediglich in dem Verhaͤltniß zwiſchen den dunger- zeugenden und den erſchoͤpfenden Fruͤchten — fuͤr welches Verhaͤltniß ich, der Kuͤrze wegen, mich kuͤnftig des Worts «Saatenverhaͤltniß» bedienen werde. Stellt man nun zwei Guͤter mit zwei verſchiedenen Wirthſchaftsſyſtemen gegen einander, und nimmt fuͤr das eine ein bereicherndes, fuͤr das andere ein erſchoͤpfendes Saatenverhaͤltniß an, und will man nun aus dem endli- chen Erfolge — gleichviel ob dieſer aus einer richtigen Berechnung, oder aus der wirklichen Erfahrung hervor- gehe — darthun, welches Wirthſchaftsſyſtem den Vorzug verdiene: ſo beantwortet dieſe Unterſuchung nur die Frage, ob der, durch die ſchonende Wirthſchaft bereicherte Boden, am Ende einen hoͤhern Werth habe, als der in ſeinem vorigen Zuſtand gebliebene aͤrmere Boden — eine Frage, uͤber deren Beantwortung an ſich gar kein Zweifel ſtatt finden kann. Bei einer ſolchen Gegeneinanderſtellung muß ſtets 8

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Zitationshilfe: Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/127>, abgerufen am 23.04.2024.