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Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826.

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zu neuen, großen Veränderungen übergehen. Wenn durch
ein plötzlich eintretendes neues Verhältniß, z. B. durch
eine neue Auflage, die alte Wirthschaftsform zweckwidrig
wird, so dauert es doch eine lange Zeit, ehe man sich von
der alten, sonst so bewährt gefundenen Form trennt, und
die Wirthschaft mit den neuen Verhältnissen in Ueberein-
stimmung bringt.

In der Praxis wird deshalb die Einführung der
neuen Steuer die Kultur des schlechten Bodens nicht au-
genblicklich aufheben, sondern man wird diesen nach wie
vor bestellen.

Hiedurch entsteht nun für den Landwirth eine dop-
pelte Ausgabe; er muß erstens die neue Steuer bezahlen,
und zweitens den Verlust tragen, den der Anbau des
schlechten Ackers bringt; oder welches dasselbe ist, von
dem Ertrage des guten Ackers muß nun nicht bloß die
Steuer bezahlt werden, die auf dem Anbau desselben haf-
tet, sondern auch noch die Steuer von dem schlechten Acker.

Durch den hieraus hervorgehenden Ausfall in der
Einnahme, kann nun der Pächter die Pacht, der ver-
schuldete Eigenthümer die Zinsen nicht mehr aus den
Gutseinkünften entnehmen und das Fehlende muß dann
häufig durch Verminderung des Betriebskapitals und des
Inventarii herbeigeschafft werden. Mit dem verminderten
Inventario ist dann die gute Bestellung des ganzen Fel-
des unmöglich; aber die Macht der Gewohnheit ist so groß,
die Ueberzeugung, daß schlechter Acker, der noch einen
bemerkbaren Rohertrag giebt, keinen Reinertrag, sondern
nur Verlust bringt, so schwer zu gewinnen, daß man
auch in einem solchen Fall gewöhnlich lieber das ganze
Feld schlecht bestellt, als einen Theil desselben liegen läßt,
wodurch dann aber die Einkünfte des ganzen Guts ver-
nichtet werden.

Nur nach mehreren solchen Erfahrungen, und nach

zu neuen, großen Veraͤnderungen uͤbergehen. Wenn durch
ein ploͤtzlich eintretendes neues Verhaͤltniß, z. B. durch
eine neue Auflage, die alte Wirthſchaftsform zweckwidrig
wird, ſo dauert es doch eine lange Zeit, ehe man ſich von
der alten, ſonſt ſo bewaͤhrt gefundenen Form trennt, und
die Wirthſchaft mit den neuen Verhaͤltniſſen in Ueberein-
ſtimmung bringt.

In der Praxis wird deshalb die Einfuͤhrung der
neuen Steuer die Kultur des ſchlechten Bodens nicht au-
genblicklich aufheben, ſondern man wird dieſen nach wie
vor beſtellen.

Hiedurch entſteht nun fuͤr den Landwirth eine dop-
pelte Ausgabe; er muß erſtens die neue Steuer bezahlen,
und zweitens den Verluſt tragen, den der Anbau des
ſchlechten Ackers bringt; oder welches daſſelbe iſt, von
dem Ertrage des guten Ackers muß nun nicht bloß die
Steuer bezahlt werden, die auf dem Anbau deſſelben haf-
tet, ſondern auch noch die Steuer von dem ſchlechten Acker.

Durch den hieraus hervorgehenden Ausfall in der
Einnahme, kann nun der Paͤchter die Pacht, der ver-
ſchuldete Eigenthuͤmer die Zinſen nicht mehr aus den
Gutseinkuͤnften entnehmen und das Fehlende muß dann
haͤufig durch Verminderung des Betriebskapitals und des
Inventarii herbeigeſchafft werden. Mit dem verminderten
Inventario iſt dann die gute Beſtellung des ganzen Fel-
des unmoͤglich; aber die Macht der Gewohnheit iſt ſo groß,
die Ueberzeugung, daß ſchlechter Acker, der noch einen
bemerkbaren Rohertrag giebt, keinen Reinertrag, ſondern
nur Verluſt bringt, ſo ſchwer zu gewinnen, daß man
auch in einem ſolchen Fall gewoͤhnlich lieber das ganze
Feld ſchlecht beſtellt, als einen Theil deſſelben liegen laͤßt,
wodurch dann aber die Einkuͤnfte des ganzen Guts ver-
nichtet werden.

Nur nach mehreren ſolchen Erfahrungen, und nach

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[262/0276] zu neuen, großen Veraͤnderungen uͤbergehen. Wenn durch ein ploͤtzlich eintretendes neues Verhaͤltniß, z. B. durch eine neue Auflage, die alte Wirthſchaftsform zweckwidrig wird, ſo dauert es doch eine lange Zeit, ehe man ſich von der alten, ſonſt ſo bewaͤhrt gefundenen Form trennt, und die Wirthſchaft mit den neuen Verhaͤltniſſen in Ueberein- ſtimmung bringt. In der Praxis wird deshalb die Einfuͤhrung der neuen Steuer die Kultur des ſchlechten Bodens nicht au- genblicklich aufheben, ſondern man wird dieſen nach wie vor beſtellen. Hiedurch entſteht nun fuͤr den Landwirth eine dop- pelte Ausgabe; er muß erſtens die neue Steuer bezahlen, und zweitens den Verluſt tragen, den der Anbau des ſchlechten Ackers bringt; oder welches daſſelbe iſt, von dem Ertrage des guten Ackers muß nun nicht bloß die Steuer bezahlt werden, die auf dem Anbau deſſelben haf- tet, ſondern auch noch die Steuer von dem ſchlechten Acker. Durch den hieraus hervorgehenden Ausfall in der Einnahme, kann nun der Paͤchter die Pacht, der ver- ſchuldete Eigenthuͤmer die Zinſen nicht mehr aus den Gutseinkuͤnften entnehmen und das Fehlende muß dann haͤufig durch Verminderung des Betriebskapitals und des Inventarii herbeigeſchafft werden. Mit dem verminderten Inventario iſt dann die gute Beſtellung des ganzen Fel- des unmoͤglich; aber die Macht der Gewohnheit iſt ſo groß, die Ueberzeugung, daß ſchlechter Acker, der noch einen bemerkbaren Rohertrag giebt, keinen Reinertrag, ſondern nur Verluſt bringt, ſo ſchwer zu gewinnen, daß man auch in einem ſolchen Fall gewoͤhnlich lieber das ganze Feld ſchlecht beſtellt, als einen Theil deſſelben liegen laͤßt, wodurch dann aber die Einkuͤnfte des ganzen Guts ver- nichtet werden. Nur nach mehreren ſolchen Erfahrungen, und nach

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Zitationshilfe: Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/276>, abgerufen am 28.03.2024.