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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

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Vierte Abtheilung. Vierter Abschnitt.

Gesalzenes und Bökelfleisch wird hier zu Lande wenig
gegessen, höchstens einigemahl des Winters. Einige
Landleute salzen Rindfleisch ein, um es in der Stadt zu
verkaufen, wo man es zur Provision auf den Schiffen
wieder verkauft. An einigen Orten gebraucht man Ta-
marinden, ihrer Säure wegen, statt Essigs, besonders
um Rindfleisch damit zuzubereiten. Man schneidet das-
selbe in dünne Scheiben, bestreicht sie mit dem Safte der
Tamarinden, läßt sie an der Sonne ein wenig trocken
werden, und bratet sie darauf in einer Pfanne, da denn
das Fleisch nicht nur wohl mürbe wird, sondern auch sehr
gut schmeckt.

Nicht nur in der Stadt, sondern im ganzen Lande
herrscht überall die Sitte, daß man nach Mittage eine
oder zwey Stunden schläft, weil die Hitze alsdann sehr
stark ist.

Bey Tische bekommen niemahls die Gäste die Ober-
stelle, sondern der Wirth und die Wirthin nehmen sie
selbst ein, jeder von ihnen an einer Seite des Tisches;
umher wird den Fremden ihr Platz angewiesen. Wirth
und Wirthin setzen sich auch zuerst, und nöthigen als-
dann die Gäste, sich ebenfalls zu setzen. Sieht der Wirth
einen Fremden kommen, oder erwartet er einen Gast,
so geht er ihm allezeit entgegen, reicht ihm die Hand,
biethet ihm guten Tag, und frägt nach seinem Befinden.
Kommt man zu Pferde oder zu Wagen, so wird man
gebethen, abzusteigen und einzutreten. Ist man unbe-
kannt, so erkundigt der Wirth sich nach dem Nahmen.
Die Frau steht nicht auf, wenn der Fremde in die Stu-
be tritt, sondern nickt nur mit dem Kopfe, und grüßt.

Ein sonderbares musikalisches Instrument sah ich
bey einem Landmanne. Es war aus viereckigen Stäben
verfertigt, die von verschiedner Länge waren und auf zwey

Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.

Geſalzenes und Boͤkelfleiſch wird hier zu Lande wenig
gegeſſen, hoͤchſtens einigemahl des Winters. Einige
Landleute ſalzen Rindfleiſch ein, um es in der Stadt zu
verkaufen, wo man es zur Proviſion auf den Schiffen
wieder verkauft. An einigen Orten gebraucht man Ta-
marinden, ihrer Saͤure wegen, ſtatt Eſſigs, beſonders
um Rindfleiſch damit zuzubereiten. Man ſchneidet das-
ſelbe in duͤnne Scheiben, beſtreicht ſie mit dem Safte der
Tamarinden, laͤßt ſie an der Sonne ein wenig trocken
werden, und bratet ſie darauf in einer Pfanne, da denn
das Fleiſch nicht nur wohl muͤrbe wird, ſondern auch ſehr
gut ſchmeckt.

Nicht nur in der Stadt, ſondern im ganzen Lande
herrſcht uͤberall die Sitte, daß man nach Mittage eine
oder zwey Stunden ſchlaͤft, weil die Hitze alsdann ſehr
ſtark iſt.

Bey Tiſche bekommen niemahls die Gaͤſte die Ober-
ſtelle, ſondern der Wirth und die Wirthin nehmen ſie
ſelbſt ein, jeder von ihnen an einer Seite des Tiſches;
umher wird den Fremden ihr Platz angewieſen. Wirth
und Wirthin ſetzen ſich auch zuerſt, und noͤthigen als-
dann die Gaͤſte, ſich ebenfalls zu ſetzen. Sieht der Wirth
einen Fremden kommen, oder erwartet er einen Gaſt,
ſo geht er ihm allezeit entgegen, reicht ihm die Hand,
biethet ihm guten Tag, und fraͤgt nach ſeinem Befinden.
Kommt man zu Pferde oder zu Wagen, ſo wird man
gebethen, abzuſteigen und einzutreten. Iſt man unbe-
kannt, ſo erkundigt der Wirth ſich nach dem Nahmen.
Die Frau ſteht nicht auf, wenn der Fremde in die Stu-
be tritt, ſondern nickt nur mit dem Kopfe, und gruͤßt.

Ein ſonderbares muſikaliſches Inſtrument ſah ich
bey einem Landmanne. Es war aus viereckigen Staͤben
verfertigt, die von verſchiedner Laͤnge waren und auf zwey

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[250/0278] Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt. Geſalzenes und Boͤkelfleiſch wird hier zu Lande wenig gegeſſen, hoͤchſtens einigemahl des Winters. Einige Landleute ſalzen Rindfleiſch ein, um es in der Stadt zu verkaufen, wo man es zur Proviſion auf den Schiffen wieder verkauft. An einigen Orten gebraucht man Ta- marinden, ihrer Saͤure wegen, ſtatt Eſſigs, beſonders um Rindfleiſch damit zuzubereiten. Man ſchneidet das- ſelbe in duͤnne Scheiben, beſtreicht ſie mit dem Safte der Tamarinden, laͤßt ſie an der Sonne ein wenig trocken werden, und bratet ſie darauf in einer Pfanne, da denn das Fleiſch nicht nur wohl muͤrbe wird, ſondern auch ſehr gut ſchmeckt. Nicht nur in der Stadt, ſondern im ganzen Lande herrſcht uͤberall die Sitte, daß man nach Mittage eine oder zwey Stunden ſchlaͤft, weil die Hitze alsdann ſehr ſtark iſt. Bey Tiſche bekommen niemahls die Gaͤſte die Ober- ſtelle, ſondern der Wirth und die Wirthin nehmen ſie ſelbſt ein, jeder von ihnen an einer Seite des Tiſches; umher wird den Fremden ihr Platz angewieſen. Wirth und Wirthin ſetzen ſich auch zuerſt, und noͤthigen als- dann die Gaͤſte, ſich ebenfalls zu ſetzen. Sieht der Wirth einen Fremden kommen, oder erwartet er einen Gaſt, ſo geht er ihm allezeit entgegen, reicht ihm die Hand, biethet ihm guten Tag, und fraͤgt nach ſeinem Befinden. Kommt man zu Pferde oder zu Wagen, ſo wird man gebethen, abzuſteigen und einzutreten. Iſt man unbe- kannt, ſo erkundigt der Wirth ſich nach dem Nahmen. Die Frau ſteht nicht auf, wenn der Fremde in die Stu- be tritt, ſondern nickt nur mit dem Kopfe, und gruͤßt. Ein ſonderbares muſikaliſches Inſtrument ſah ich bey einem Landmanne. Es war aus viereckigen Staͤben verfertigt, die von verſchiedner Laͤnge waren und auf zwey

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/278>, abgerufen am 28.03.2024.