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Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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in manchen Gegenden unsere Vorfahren das Carneval mit rechter ächter Ausgelassenheit zu Grabe trugen, daß sie zuletzt noch einmal recht toll aufjubelten und sich in der Lust übernahmen, um nachher ungestört und ganz ohne Gewissensscrupel fromm sein zu können. Laß uns der verehrlichen Sitte nachfolgen; Brüderchen, sieh, ich bin dir so gut, gieb uns und deinen Launen noch einmal so einen rechten ausgesuchten Weinschmaus, so einen hohen Valet- und Abschied-Hymnus, daß wir, besonders ich, deiner gedenken; laß uns beim besten Wein bis in die tiefe Nacht hinein jubeln, dann gehst du rechts ab zur Tugend und Mäßigkeit, und wir andern bleiben links, wo wir sind.

Schlemmer! sagte Eduard lächelnd: wenn du nur einen Vorwand findest, dich zu betrinken, so ist dir Alles recht. Es sei also am heiligen Dreikönigs-Abend.

Da ist ja noch vier Tage hin, seufzte der Alte, indem er den letzten Rest ausschlürfte und sich dann schweigend entfernte.

Wir werden heut eine kleine Tischgesellschaft haben, sagte der Rath Walther zu seiner Tochter.

So? fragte Sophie. Und wird der junge Eduard auch herkommen?

Nein, antwortete der Vater. Wie fällst du auf diesen?

Ich dachte nur, sagte Sophie, daß Sie ihm viel-

in manchen Gegenden unsere Vorfahren das Carneval mit rechter ächter Ausgelassenheit zu Grabe trugen, daß sie zuletzt noch einmal recht toll aufjubelten und sich in der Lust übernahmen, um nachher ungestört und ganz ohne Gewissensscrupel fromm sein zu können. Laß uns der verehrlichen Sitte nachfolgen; Brüderchen, sieh, ich bin dir so gut, gieb uns und deinen Launen noch einmal so einen rechten ausgesuchten Weinschmaus, so einen hohen Valet- und Abschied-Hymnus, daß wir, besonders ich, deiner gedenken; laß uns beim besten Wein bis in die tiefe Nacht hinein jubeln, dann gehst du rechts ab zur Tugend und Mäßigkeit, und wir andern bleiben links, wo wir sind.

Schlemmer! sagte Eduard lächelnd: wenn du nur einen Vorwand findest, dich zu betrinken, so ist dir Alles recht. Es sei also am heiligen Dreikönigs-Abend.

Da ist ja noch vier Tage hin, seufzte der Alte, indem er den letzten Rest ausschlürfte und sich dann schweigend entfernte.

Wir werden heut eine kleine Tischgesellschaft haben, sagte der Rath Walther zu seiner Tochter.

So? fragte Sophie. Und wird der junge Eduard auch herkommen?

Nein, antwortete der Vater. Wie fällst du auf diesen?

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[0029] in manchen Gegenden unsere Vorfahren das Carneval mit rechter ächter Ausgelassenheit zu Grabe trugen, daß sie zuletzt noch einmal recht toll aufjubelten und sich in der Lust übernahmen, um nachher ungestört und ganz ohne Gewissensscrupel fromm sein zu können. Laß uns der verehrlichen Sitte nachfolgen; Brüderchen, sieh, ich bin dir so gut, gieb uns und deinen Launen noch einmal so einen rechten ausgesuchten Weinschmaus, so einen hohen Valet- und Abschied-Hymnus, daß wir, besonders ich, deiner gedenken; laß uns beim besten Wein bis in die tiefe Nacht hinein jubeln, dann gehst du rechts ab zur Tugend und Mäßigkeit, und wir andern bleiben links, wo wir sind. Schlemmer! sagte Eduard lächelnd: wenn du nur einen Vorwand findest, dich zu betrinken, so ist dir Alles recht. Es sei also am heiligen Dreikönigs-Abend. Da ist ja noch vier Tage hin, seufzte der Alte, indem er den letzten Rest ausschlürfte und sich dann schweigend entfernte. Wir werden heut eine kleine Tischgesellschaft haben, sagte der Rath Walther zu seiner Tochter. So? fragte Sophie. Und wird der junge Eduard auch herkommen? Nein, antwortete der Vater. Wie fällst du auf diesen? Ich dachte nur, sagte Sophie, daß Sie ihm viel-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/29>, abgerufen am 20.04.2024.