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Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Kommt nicht etwa auch noch der junge Herr von Eisenschlicht, um mir das Leben recht sauer zu machen?

Der Vater hob den Finger drohend auf, sie ließ sich aber nicht irren, sondern fuhr schnell und unwillig fort: es ist ja wahr, daß ich in dieser Gesellschaft meines Lebens niemals froh werde; das schwatzt, und guckt, und ist artig, und lügt, und wird unausstehlich durch einander, daß ich statt solcher Mahlzeiten lieber drei Tage hungern möchte. Solche verliebte Leute sind mir so zuwider, wie unreife Johannisbeeren! jedes Wort von ihnen schmeckt mir noch sauer nach acht Tagen und verdirbt mir auch die Zunge für alle besseren Früchte. Der alte krummnasige, kupfrige Sünder ist mir noch von allen der liebste, denn er denkt doch nicht daran, mich wie ein Möbel in seine Stuben hinzustellen.

Diese Art und Weise, sagte der Vater, ist mir an dir selbst leid, ja recht verdrießlich, weil ich bei deinem starren Eigensinn noch gar nicht absehen kann, wie du dich je ändern möchtest. Du weißt nun, wie ich über die Ehe und die sogenannte Liebe denke, wie sehr du mich glücklich machen würdest, wenn du deinen Willen brechen wolltest --

Ich muß nach der Küche sehen, rief sie plötzlich; ich muß Ihnen heute Ehre machen; vergessen Sie nur nicht die guten Weine, damit der röthliche Eulenböck nicht Ihren Keller in schlechten Ruf bringt. So lief sie hinaus, ohne eine Antwort abzuwarten.

Der Alte ging an seine Geschäfte, indessen die

Kommt nicht etwa auch noch der junge Herr von Eisenschlicht, um mir das Leben recht sauer zu machen?

Der Vater hob den Finger drohend auf, sie ließ sich aber nicht irren, sondern fuhr schnell und unwillig fort: es ist ja wahr, daß ich in dieser Gesellschaft meines Lebens niemals froh werde; das schwatzt, und guckt, und ist artig, und lügt, und wird unausstehlich durch einander, daß ich statt solcher Mahlzeiten lieber drei Tage hungern möchte. Solche verliebte Leute sind mir so zuwider, wie unreife Johannisbeeren! jedes Wort von ihnen schmeckt mir noch sauer nach acht Tagen und verdirbt mir auch die Zunge für alle besseren Früchte. Der alte krummnasige, kupfrige Sünder ist mir noch von allen der liebste, denn er denkt doch nicht daran, mich wie ein Möbel in seine Stuben hinzustellen.

Diese Art und Weise, sagte der Vater, ist mir an dir selbst leid, ja recht verdrießlich, weil ich bei deinem starren Eigensinn noch gar nicht absehen kann, wie du dich je ändern möchtest. Du weißt nun, wie ich über die Ehe und die sogenannte Liebe denke, wie sehr du mich glücklich machen würdest, wenn du deinen Willen brechen wolltest —

Ich muß nach der Küche sehen, rief sie plötzlich; ich muß Ihnen heute Ehre machen; vergessen Sie nur nicht die guten Weine, damit der röthliche Eulenböck nicht Ihren Keller in schlechten Ruf bringt. So lief sie hinaus, ohne eine Antwort abzuwarten.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/31>, abgerufen am 29.03.2024.