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Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Tochter Küche und Tisch besorgte. Sie hatte jenes Gespräch so plötzlich abgebrochen, weil es der Wunsch des Vaters, den sie nur gar zu gut kannte, war, sie mit seinem Freunde Erich zu verheirathen, der zwar nicht mehr jung, indessen auch noch nicht so sehr in Jahren vorgerückt war, daß ein solcher Plan lächerlich gewesen wäre. Erich hatte bei seinem Handel ein ansehnliches Vermögen erworben; in diesem Augenblicke besaß er eine Sammlung ganz vorzüglicher Bilder aus den italienischen Schulen, und Walther hatte den Gedanken, daß, falls seine Tochter sich noch zu dieser Heirath bereden ließe, Erich alsdann seinen Handel einstellen und diese vorzüglichen Gemälde seiner Gallerie einverleiben solle, damit der Schwiegersohn diese dann nach seinem Tode als eine recht ausgezeichnete besäße und erhielte. Denn es war ihm fürchterlich, sich diese treffliche Sammlung einst wieder zerstreut zu denken, vielleicht gar unter dem Preise verkauft und an Menschen vergeudet, bei denen die Bilder durch Unverstand zu Grunde gehen könnten. Seine Leidenschaft für Malerei war so groß, daß er auf jeden Fall seines Freundes Bilder für eine sehr große Summe gekauft haben würde, wenn ihn nicht der Erwerb eines ansehnlichen Gutes und großen Gartens, die er seiner Tochter zurücklassen wollte, gehindert und ihm jetzt jede Auslage, vorzüglich aber eine so bedeutende, unmöglich gemacht hätte. Indem er seine Briefe schrieb, zerstreuten ihn diese Gedanken unaufhörlich. Er gedachte dann des jungen Malers Dietrich, eines hübschen blonden Jüng-

Tochter Küche und Tisch besorgte. Sie hatte jenes Gespräch so plötzlich abgebrochen, weil es der Wunsch des Vaters, den sie nur gar zu gut kannte, war, sie mit seinem Freunde Erich zu verheirathen, der zwar nicht mehr jung, indessen auch noch nicht so sehr in Jahren vorgerückt war, daß ein solcher Plan lächerlich gewesen wäre. Erich hatte bei seinem Handel ein ansehnliches Vermögen erworben; in diesem Augenblicke besaß er eine Sammlung ganz vorzüglicher Bilder aus den italienischen Schulen, und Walther hatte den Gedanken, daß, falls seine Tochter sich noch zu dieser Heirath bereden ließe, Erich alsdann seinen Handel einstellen und diese vorzüglichen Gemälde seiner Gallerie einverleiben solle, damit der Schwiegersohn diese dann nach seinem Tode als eine recht ausgezeichnete besäße und erhielte. Denn es war ihm fürchterlich, sich diese treffliche Sammlung einst wieder zerstreut zu denken, vielleicht gar unter dem Preise verkauft und an Menschen vergeudet, bei denen die Bilder durch Unverstand zu Grunde gehen könnten. Seine Leidenschaft für Malerei war so groß, daß er auf jeden Fall seines Freundes Bilder für eine sehr große Summe gekauft haben würde, wenn ihn nicht der Erwerb eines ansehnlichen Gutes und großen Gartens, die er seiner Tochter zurücklassen wollte, gehindert und ihm jetzt jede Auslage, vorzüglich aber eine so bedeutende, unmöglich gemacht hätte. Indem er seine Briefe schrieb, zerstreuten ihn diese Gedanken unaufhörlich. Er gedachte dann des jungen Malers Dietrich, eines hübschen blonden Jüng-

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Tochter Küche und Tisch besorgte. Sie                hatte jenes Gespräch so plötzlich abgebrochen, weil es der Wunsch des Vaters, den sie                nur gar zu gut kannte, war, sie mit seinem Freunde Erich zu verheirathen, der zwar                nicht mehr jung, indessen auch noch nicht so sehr in Jahren vorgerückt war, daß ein                solcher Plan lächerlich gewesen wäre. Erich hatte bei seinem Handel ein ansehnliches                Vermögen erworben; in diesem Augenblicke besaß er eine Sammlung ganz vorzüglicher                Bilder aus den italienischen Schulen, und Walther hatte den Gedanken, daß, falls                seine Tochter sich noch zu dieser Heirath bereden ließe, Erich alsdann seinen Handel                einstellen und diese vorzüglichen Gemälde seiner Gallerie einverleiben solle, damit                der Schwiegersohn diese dann nach seinem Tode als eine recht ausgezeichnete besäße                und erhielte. Denn es war ihm fürchterlich, sich diese treffliche Sammlung einst                wieder zerstreut zu denken, vielleicht gar unter dem Preise verkauft und an Menschen                vergeudet, bei denen die Bilder durch Unverstand zu Grunde gehen könnten. Seine                Leidenschaft für Malerei war so groß, daß er auf jeden Fall seines Freundes Bilder                für eine sehr große Summe gekauft haben würde, wenn ihn nicht der Erwerb eines                ansehnlichen Gutes und großen Gartens, die er seiner Tochter zurücklassen wollte,                gehindert und ihm jetzt jede Auslage, vorzüglich aber eine so bedeutende, unmöglich                gemacht hätte. Indem er seine Briefe schrieb, zerstreuten ihn diese Gedanken                unaufhörlich. Er gedachte dann des jungen Malers Dietrich, eines hübschen blonden                Jüng-<lb/></p>
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[0032] Tochter Küche und Tisch besorgte. Sie hatte jenes Gespräch so plötzlich abgebrochen, weil es der Wunsch des Vaters, den sie nur gar zu gut kannte, war, sie mit seinem Freunde Erich zu verheirathen, der zwar nicht mehr jung, indessen auch noch nicht so sehr in Jahren vorgerückt war, daß ein solcher Plan lächerlich gewesen wäre. Erich hatte bei seinem Handel ein ansehnliches Vermögen erworben; in diesem Augenblicke besaß er eine Sammlung ganz vorzüglicher Bilder aus den italienischen Schulen, und Walther hatte den Gedanken, daß, falls seine Tochter sich noch zu dieser Heirath bereden ließe, Erich alsdann seinen Handel einstellen und diese vorzüglichen Gemälde seiner Gallerie einverleiben solle, damit der Schwiegersohn diese dann nach seinem Tode als eine recht ausgezeichnete besäße und erhielte. Denn es war ihm fürchterlich, sich diese treffliche Sammlung einst wieder zerstreut zu denken, vielleicht gar unter dem Preise verkauft und an Menschen vergeudet, bei denen die Bilder durch Unverstand zu Grunde gehen könnten. Seine Leidenschaft für Malerei war so groß, daß er auf jeden Fall seines Freundes Bilder für eine sehr große Summe gekauft haben würde, wenn ihn nicht der Erwerb eines ansehnlichen Gutes und großen Gartens, die er seiner Tochter zurücklassen wollte, gehindert und ihm jetzt jede Auslage, vorzüglich aber eine so bedeutende, unmöglich gemacht hätte. Indem er seine Briefe schrieb, zerstreuten ihn diese Gedanken unaufhörlich. Er gedachte dann des jungen Malers Dietrich, eines hübschen blonden Jüng-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/32>, abgerufen am 19.04.2024.