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Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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nicht von Rafaels Händen war, wie Einige behaupten wollen, so war es wenigstens von einem vorzüglichen Meister, der nach diesem Muster die Kunst mit Glück studirt hatte. Wenn einige Neuere von der Kunst des Porträtirens als von einer geringen Sache sprechen wollten, oder die gar den Maler erniedrige, so durfte man sie nur vor dieses wunderwürdige Bildniß führen, um sie zu beschämen.

Wie, sagen Sie, so wandte sich der Fremde lebhaft zum alten Rath, es sind außer diesem trefflichen Stück noch andere merkwürdige Gemälde verloren gegangen? Auf welche Weise?

Ob verloren, sagte Walther, kann man so eigentlich nicht sagen; aber sie sind unsichtbar geworden, und vielleicht ins ferne Ausland verkauft. Mein Freund, der Herr von Essen, der Vater des jungen Menschen, den Sie neulich in meinem Saale trafen, wurde mit zunehmendem Alter launenhaft und wunderlich. Die Liebe zur Kunst hatte uns befreundet, und ich kann sagen, daß ich sein ganzes Vertrauen besaß. Wir ergötzten uns an unsern Sammlungen, und die seinige übertraf damals bei Weitem die meinige, die ich erst durch die Nachlässigkeit seines Sohnes so ansehnlich habe vermehren können. Wenn wir uns einmal ein rechtes Fest geben wollten, so setzten wir uns in sein Cabinet, in welchem die ausgesuchtesten seiner Werke versammelt waren. Diese hatte er mit vorzüglich prächtigen Rahmen einfassen lassen und sie sinnreich bei einer sehr vortheilhaften

nicht von Rafaels Händen war, wie Einige behaupten wollen, so war es wenigstens von einem vorzüglichen Meister, der nach diesem Muster die Kunst mit Glück studirt hatte. Wenn einige Neuere von der Kunst des Porträtirens als von einer geringen Sache sprechen wollten, oder die gar den Maler erniedrige, so durfte man sie nur vor dieses wunderwürdige Bildniß führen, um sie zu beschämen.

Wie, sagen Sie, so wandte sich der Fremde lebhaft zum alten Rath, es sind außer diesem trefflichen Stück noch andere merkwürdige Gemälde verloren gegangen? Auf welche Weise?

Ob verloren, sagte Walther, kann man so eigentlich nicht sagen; aber sie sind unsichtbar geworden, und vielleicht ins ferne Ausland verkauft. Mein Freund, der Herr von Essen, der Vater des jungen Menschen, den Sie neulich in meinem Saale trafen, wurde mit zunehmendem Alter launenhaft und wunderlich. Die Liebe zur Kunst hatte uns befreundet, und ich kann sagen, daß ich sein ganzes Vertrauen besaß. Wir ergötzten uns an unsern Sammlungen, und die seinige übertraf damals bei Weitem die meinige, die ich erst durch die Nachlässigkeit seines Sohnes so ansehnlich habe vermehren können. Wenn wir uns einmal ein rechtes Fest geben wollten, so setzten wir uns in sein Cabinet, in welchem die ausgesuchtesten seiner Werke versammelt waren. Diese hatte er mit vorzüglich prächtigen Rahmen einfassen lassen und sie sinnreich bei einer sehr vortheilhaften

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[0047] nicht von Rafaels Händen war, wie Einige behaupten wollen, so war es wenigstens von einem vorzüglichen Meister, der nach diesem Muster die Kunst mit Glück studirt hatte. Wenn einige Neuere von der Kunst des Porträtirens als von einer geringen Sache sprechen wollten, oder die gar den Maler erniedrige, so durfte man sie nur vor dieses wunderwürdige Bildniß führen, um sie zu beschämen. Wie, sagen Sie, so wandte sich der Fremde lebhaft zum alten Rath, es sind außer diesem trefflichen Stück noch andere merkwürdige Gemälde verloren gegangen? Auf welche Weise? Ob verloren, sagte Walther, kann man so eigentlich nicht sagen; aber sie sind unsichtbar geworden, und vielleicht ins ferne Ausland verkauft. Mein Freund, der Herr von Essen, der Vater des jungen Menschen, den Sie neulich in meinem Saale trafen, wurde mit zunehmendem Alter launenhaft und wunderlich. Die Liebe zur Kunst hatte uns befreundet, und ich kann sagen, daß ich sein ganzes Vertrauen besaß. Wir ergötzten uns an unsern Sammlungen, und die seinige übertraf damals bei Weitem die meinige, die ich erst durch die Nachlässigkeit seines Sohnes so ansehnlich habe vermehren können. Wenn wir uns einmal ein rechtes Fest geben wollten, so setzten wir uns in sein Cabinet, in welchem die ausgesuchtesten seiner Werke versammelt waren. Diese hatte er mit vorzüglich prächtigen Rahmen einfassen lassen und sie sinnreich bei einer sehr vortheilhaften

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/47>, abgerufen am 24.04.2024.