Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite
7.
Willy an seinen Bruder Thomas.


Wir sind nun, lieber Bruder, schon mitten
in dem sogenannten Italien, wo mir alles hier
herum so ziemlich gut gefällt. Was mir immer
närrisch vorkömmt, ist, daß in jedem Lande so
eine eigne Sprache Mode ist, so daß mein gu-
tes Englisch hier kein Mensch versteht, und ich
verstehe wieder oft gar nicht, was die Leute
von mir wollen. Wir sind über Sawogen und
Genua gereist, aber allenthalben wird Italiänisch
gesprochen, ob wohl gleich die närrischen Sa-
wegarden nicht zu gut dazu wären, auch ein-
mahl Englisch zu reden; aber es ist, als wenn
sich alle Leute hier meiner Muttersprache
schämten.

Wir sind über hohe Gebirggegenden einige-
mahl weggegangen; wie einem doch von da
Gottes Welt so groß und herrlich aussieht!
Ich kann Dir nicht sagen, Thomas, wie sehr
ich mich manchmahl gefreut habe, aber die
Thränen traten mir doch oft in die Augen, wie

7.
Willy an ſeinen Bruder Thomas.


Wir ſind nun, lieber Bruder, ſchon mitten
in dem ſogenannten Italien, wo mir alles hier
herum ſo ziemlich gut gefaͤllt. Was mir immer
naͤrriſch vorkoͤmmt, iſt, daß in jedem Lande ſo
eine eigne Sprache Mode iſt, ſo daß mein gu-
tes Engliſch hier kein Menſch verſteht, und ich
verſtehe wieder oft gar nicht, was die Leute
von mir wollen. Wir ſind uͤber Sawogen und
Genua gereiſt, aber allenthalben wird Italiaͤniſch
geſprochen, ob wohl gleich die naͤrriſchen Sa-
wegarden nicht zu gut dazu waͤren, auch ein-
mahl Engliſch zu reden; aber es iſt, als wenn
ſich alle Leute hier meiner Mutterſprache
ſchaͤmten.

Wir ſind uͤber hohe Gebirggegenden einige-
mahl weggegangen; wie einem doch von da
Gottes Welt ſo groß und herrlich ausſieht!
Ich kann Dir nicht ſagen, Thomas, wie ſehr
ich mich manchmahl gefreut habe, aber die
Thraͤnen traten mir doch oft in die Augen, wie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0228" n="220[218]"/>
        <div n="2">
          <head>7.<lb/>
Willy an &#x017F;einen Bruder Thomas.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Florenz.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">W</hi>ir &#x017F;ind nun, lieber Bruder, &#x017F;chon mitten<lb/>
in dem &#x017F;ogenannten Italien, wo mir alles hier<lb/>
herum &#x017F;o ziemlich gut gefa&#x0364;llt. Was mir immer<lb/>
na&#x0364;rri&#x017F;ch vorko&#x0364;mmt, i&#x017F;t, daß in jedem Lande &#x017F;o<lb/>
eine eigne Sprache Mode i&#x017F;t, &#x017F;o daß mein gu-<lb/>
tes Engli&#x017F;ch hier kein Men&#x017F;ch ver&#x017F;teht, und ich<lb/>
ver&#x017F;tehe wieder oft gar nicht, was die Leute<lb/>
von mir wollen. Wir &#x017F;ind u&#x0364;ber Sawogen und<lb/>
Genua gerei&#x017F;t, aber allenthalben wird Italia&#x0364;ni&#x017F;ch<lb/>
ge&#x017F;prochen, ob wohl gleich die na&#x0364;rri&#x017F;chen Sa-<lb/>
wegarden nicht zu gut dazu wa&#x0364;ren, auch ein-<lb/>
mahl Engli&#x017F;ch zu reden; aber es i&#x017F;t, als wenn<lb/>
&#x017F;ich alle Leute hier meiner Mutter&#x017F;prache<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;mten.</p><lb/>
          <p>Wir &#x017F;ind u&#x0364;ber hohe Gebirggegenden einige-<lb/>
mahl weggegangen; wie einem doch von da<lb/>
Gottes Welt &#x017F;o groß und herrlich aus&#x017F;ieht!<lb/>
Ich kann Dir nicht &#x017F;agen, Thomas, wie &#x017F;ehr<lb/>
ich mich manchmahl gefreut habe, aber die<lb/>
Thra&#x0364;nen traten mir doch oft in die Augen, wie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220[218]/0228] 7. Willy an ſeinen Bruder Thomas. Florenz. Wir ſind nun, lieber Bruder, ſchon mitten in dem ſogenannten Italien, wo mir alles hier herum ſo ziemlich gut gefaͤllt. Was mir immer naͤrriſch vorkoͤmmt, iſt, daß in jedem Lande ſo eine eigne Sprache Mode iſt, ſo daß mein gu- tes Engliſch hier kein Menſch verſteht, und ich verſtehe wieder oft gar nicht, was die Leute von mir wollen. Wir ſind uͤber Sawogen und Genua gereiſt, aber allenthalben wird Italiaͤniſch geſprochen, ob wohl gleich die naͤrriſchen Sa- wegarden nicht zu gut dazu waͤren, auch ein- mahl Engliſch zu reden; aber es iſt, als wenn ſich alle Leute hier meiner Mutterſprache ſchaͤmten. Wir ſind uͤber hohe Gebirggegenden einige- mahl weggegangen; wie einem doch von da Gottes Welt ſo groß und herrlich ausſieht! Ich kann Dir nicht ſagen, Thomas, wie ſehr ich mich manchmahl gefreut habe, aber die Thraͤnen traten mir doch oft in die Augen, wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/228
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 220[218]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/228>, abgerufen am 29.03.2024.