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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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14.
Der Graf Melun an Mortimer.


Sie verließen, lieber Freund, Paris, als ich
eben Anstalten zur Hochzeit mit der Comtesse
Blainville traf; da Sie sich stets für mein
Schicksal interessirt haben, so halte ich es für
meine Pflicht, Ihnen einige nähere Nachrichten
von dem Erfolge dieser Narrheit zu geben.

Sie würden izt mein Haus in Paris nicht
wiederkennen, so sehr ist alles durch einander
geworfen und verändert und modernisirt; ich
bin so eingeschränkt, daß ich weniger Freihei-
ten habe, als meine Bedienten; alle meine vor-
maligen Freunde fliehen mein Haus und eine
Schaar von Zügvögeln gewöhnt sich nach und
nach herein, die von der Freigebigkeit, oder
vielmehr von der Verschwendung meiner Gebie-
terinn leben; -- ach Mortimer, ich sehe noch
in meinem Alter einer drückenden Armuth ent-
gegen. So hart ist die Thorheit eines alten
Mannes bestraft, der nach so vielen Jahren von
Erfahrung noch die närrische Foderung machte,

14.
Der Graf Melun an Mortimer.


Sie verließen, lieber Freund, Paris, als ich
eben Anſtalten zur Hochzeit mit der Comteſſe
Blainville traf; da Sie ſich ſtets fuͤr mein
Schickſal intereſſirt haben, ſo halte ich es fuͤr
meine Pflicht, Ihnen einige naͤhere Nachrichten
von dem Erfolge dieſer Narrheit zu geben.

Sie wuͤrden izt mein Haus in Paris nicht
wiederkennen, ſo ſehr iſt alles durch einander
geworfen und veraͤndert und moderniſirt; ich
bin ſo eingeſchraͤnkt, daß ich weniger Freihei-
ten habe, als meine Bedienten; alle meine vor-
maligen Freunde fliehen mein Haus und eine
Schaar von Zuͤgvoͤgeln gewoͤhnt ſich nach und
nach herein, die von der Freigebigkeit, oder
vielmehr von der Verſchwendung meiner Gebie-
terinn leben; — ach Mortimer, ich ſehe noch
in meinem Alter einer druͤckenden Armuth ent-
gegen. So hart iſt die Thorheit eines alten
Mannes beſtraft, der nach ſo vielen Jahren von
Erfahrung noch die naͤrriſche Foderung machte,

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[287[285]/0295] 14. Der Graf Melun an Mortimer. Paris. Sie verließen, lieber Freund, Paris, als ich eben Anſtalten zur Hochzeit mit der Comteſſe Blainville traf; da Sie ſich ſtets fuͤr mein Schickſal intereſſirt haben, ſo halte ich es fuͤr meine Pflicht, Ihnen einige naͤhere Nachrichten von dem Erfolge dieſer Narrheit zu geben. Sie wuͤrden izt mein Haus in Paris nicht wiederkennen, ſo ſehr iſt alles durch einander geworfen und veraͤndert und moderniſirt; ich bin ſo eingeſchraͤnkt, daß ich weniger Freihei- ten habe, als meine Bedienten; alle meine vor- maligen Freunde fliehen mein Haus und eine Schaar von Zuͤgvoͤgeln gewoͤhnt ſich nach und nach herein, die von der Freigebigkeit, oder vielmehr von der Verſchwendung meiner Gebie- terinn leben; — ach Mortimer, ich ſehe noch in meinem Alter einer druͤckenden Armuth ent- gegen. So hart iſt die Thorheit eines alten Mannes beſtraft, der nach ſo vielen Jahren von Erfahrung noch die naͤrriſche Foderung machte,

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 287[285]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/295>, abgerufen am 28.03.2024.