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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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28.
Willy an seinen Bruder Thomas.


Du hast lange keinen Brief von mir bekom-
men, lieber Bruder, und das macht, weil ich
Dir gar nichts zu schreiben hatte. Neues ist
unterdeß eben nichts vorgefallen und -- daß Du
mein guter Bruder bist, daß ich oft an Dich
denke und Dich noch öfter hier wünsche, ist
schon so etwas Altes, daß ich es Dir kein ein-
zigesmahl mehr sagen will. Uns allen hier, ich
meyne, mir, meinem Herrn und seinen Freunden,
uns allen geht es hier recht wohl, außer dem
Herrn Balder, der in Neapel krank liegt,
weil er einen Anstoß vom Fieber bekommen hat.
Man erzählt sich allerhand von ihm; so sagt
man unter andern, er habe in manchen Stun-
den den Verstand ganz verlohren und sey gar
nicht bey sich, da rede er denn wunderlich Zeug
durcheinander. -- Wenn ich so etwas höre,
Thomas, so danke ich Gott oft recht herzinnig-
lich, daß mir so etwas noch nicht begegnet ist:
vielleicht aber auch, Thomas, daß, um verrückt

28.
Willy an ſeinen Bruder Thomas.


Du haſt lange keinen Brief von mir bekom-
men, lieber Bruder, und das macht, weil ich
Dir gar nichts zu ſchreiben hatte. Neues iſt
unterdeß eben nichts vorgefallen und — daß Du
mein guter Bruder biſt, daß ich oft an Dich
denke und Dich noch oͤfter hier wuͤnſche, iſt
ſchon ſo etwas Altes, daß ich es Dir kein ein-
zigesmahl mehr ſagen will. Uns allen hier, ich
meyne, mir, meinem Herrn und ſeinen Freunden,
uns allen geht es hier recht wohl, außer dem
Herrn Balder, der in Neapel krank liegt,
weil er einen Anſtoß vom Fieber bekommen hat.
Man erzaͤhlt ſich allerhand von ihm; ſo ſagt
man unter andern, er habe in manchen Stun-
den den Verſtand ganz verlohren und ſey gar
nicht bey ſich, da rede er denn wunderlich Zeug
durcheinander. — Wenn ich ſo etwas hoͤre,
Thomas, ſo danke ich Gott oft recht herzinnig-
lich, daß mir ſo etwas noch nicht begegnet iſt:
vielleicht aber auch, Thomas, daß, um verruͤckt

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[325[323]/0333] 28. Willy an ſeinen Bruder Thomas. Rom. Du haſt lange keinen Brief von mir bekom- men, lieber Bruder, und das macht, weil ich Dir gar nichts zu ſchreiben hatte. Neues iſt unterdeß eben nichts vorgefallen und — daß Du mein guter Bruder biſt, daß ich oft an Dich denke und Dich noch oͤfter hier wuͤnſche, iſt ſchon ſo etwas Altes, daß ich es Dir kein ein- zigesmahl mehr ſagen will. Uns allen hier, ich meyne, mir, meinem Herrn und ſeinen Freunden, uns allen geht es hier recht wohl, außer dem Herrn Balder, der in Neapel krank liegt, weil er einen Anſtoß vom Fieber bekommen hat. Man erzaͤhlt ſich allerhand von ihm; ſo ſagt man unter andern, er habe in manchen Stun- den den Verſtand ganz verlohren und ſey gar nicht bey ſich, da rede er denn wunderlich Zeug durcheinander. — Wenn ich ſo etwas hoͤre, Thomas, ſo danke ich Gott oft recht herzinnig- lich, daß mir ſo etwas noch nicht begegnet iſt: vielleicht aber auch, Thomas, daß, um verruͤckt

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 325[323]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/333>, abgerufen am 29.03.2024.