Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
27.
William Lovell an Rosa.


Es ist alles vergebens. Ich bin mir in mei-
nem Leben noch nicht so einfältig vorgekommen,
als seit einigen Tagen. -- Oder sollte das seltsame
Ding, was in einem Lande Schande, im andern
Ehre bringt, woran keiner glaubt, und wogegen
die ganze Natur sich empört, -- sollte die so-
genannte weibische Tugend hier wirklich ein-
mal kein Vorurtheil seyn? Und doch ist es nicht
möglich, mein Benehmen ist nur linkisch und
ungeschickt. Das Mädchen mit diesen glänzen-
den Augen muß Temperament haben, nur ver-
steh ich nicht die Kunst, Sinnlichkeit, Eigen-
liebe und Eigennutz bey ihr auf die wahre Art
in Bewegung zu setzen.

Spotten Sie übrigens, wie Sie wollen, es
ist gewiß ein himmlisches Geschöpf!



27.
William Lovell an Roſa.


Es iſt alles vergebens. Ich bin mir in mei-
nem Leben noch nicht ſo einfaͤltig vorgekommen,
als ſeit einigen Tagen. — Oder ſollte das ſeltſame
Ding, was in einem Lande Schande, im andern
Ehre bringt, woran keiner glaubt, und wogegen
die ganze Natur ſich empoͤrt, — ſollte die ſo-
genannte weibiſche Tugend hier wirklich ein-
mal kein Vorurtheil ſeyn? Und doch iſt es nicht
moͤglich, mein Benehmen iſt nur linkiſch und
ungeſchickt. Das Maͤdchen mit dieſen glaͤnzen-
den Augen muß Temperament haben, nur ver-
ſteh ich nicht die Kunſt, Sinnlichkeit, Eigen-
liebe und Eigennutz bey ihr auf die wahre Art
in Bewegung zu ſetzen.

Spotten Sie uͤbrigens, wie Sie wollen, es
iſt gewiß ein himmliſches Geſchoͤpf!



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0129" n="123"/>
        <div n="2">
          <head>27.<lb/><hi rendition="#g">William Lovell</hi> an <hi rendition="#g">Ro&#x017F;a</hi>.</head><lb/>
          <dateline>
            <placeName> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Rom</hi>.</hi> </placeName>
          </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">E</hi>s i&#x017F;t alles vergebens. Ich bin mir in mei-<lb/>
nem Leben noch nicht &#x017F;o einfa&#x0364;ltig vorgekommen,<lb/>
als &#x017F;eit einigen Tagen. &#x2014; Oder &#x017F;ollte das &#x017F;elt&#x017F;ame<lb/>
Ding, was in einem Lande Schande, im andern<lb/>
Ehre bringt, woran keiner glaubt, und wogegen<lb/>
die ganze Natur &#x017F;ich empo&#x0364;rt, &#x2014; &#x017F;ollte die &#x017F;o-<lb/>
genannte <hi rendition="#g">weibi&#x017F;che Tugend</hi> hier wirklich ein-<lb/>
mal kein Vorurtheil &#x017F;eyn? Und doch i&#x017F;t es nicht<lb/>
mo&#x0364;glich, mein Benehmen i&#x017F;t nur linki&#x017F;ch und<lb/>
unge&#x017F;chickt. Das Ma&#x0364;dchen mit die&#x017F;en gla&#x0364;nzen-<lb/>
den Augen muß Temperament haben, nur ver-<lb/>
&#x017F;teh ich nicht die Kun&#x017F;t, Sinnlichkeit, Eigen-<lb/>
liebe und Eigennutz bey ihr auf die wahre Art<lb/>
in Bewegung zu &#x017F;etzen.</p><lb/>
          <p>Spotten Sie u&#x0364;brigens, wie Sie wollen, es<lb/>
i&#x017F;t gewiß ein himmli&#x017F;ches Ge&#x017F;cho&#x0364;pf!</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0129] 27. William Lovell an Roſa. Rom. Es iſt alles vergebens. Ich bin mir in mei- nem Leben noch nicht ſo einfaͤltig vorgekommen, als ſeit einigen Tagen. — Oder ſollte das ſeltſame Ding, was in einem Lande Schande, im andern Ehre bringt, woran keiner glaubt, und wogegen die ganze Natur ſich empoͤrt, — ſollte die ſo- genannte weibiſche Tugend hier wirklich ein- mal kein Vorurtheil ſeyn? Und doch iſt es nicht moͤglich, mein Benehmen iſt nur linkiſch und ungeſchickt. Das Maͤdchen mit dieſen glaͤnzen- den Augen muß Temperament haben, nur ver- ſteh ich nicht die Kunſt, Sinnlichkeit, Eigen- liebe und Eigennutz bey ihr auf die wahre Art in Bewegung zu ſetzen. Spotten Sie uͤbrigens, wie Sie wollen, es iſt gewiß ein himmliſches Geſchoͤpf!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/129
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/129>, abgerufen am 28.03.2024.