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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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32.
William Lovell an Rosa.


Ich habe Ihnen seit einigen Tagen keine Nach-
richten gegeben, weil ich so vielerley einzurich-
ten und zu besorgen hatte, daß mir wirklich kei-
ne Zeit übrig blieb.

Ich habe nach vielen Umständen meinen al-
ten Willy beredet, in die benachbarte leerste-
hende Hütte neben Rosalinen einzuziehen; dort
gilt er für meinen Vater, einen alten Venetia-
ner, der hieher gekommen ist, um in Rom sein
dürftiges Auskommen zu finden. Ich heiße An-
tonio. -- Ich bin nun den größten Theil des
Tages in einer gemeinen Tracht, die mich recht
gut verstellt, bey Willy. Wir haben schon mit
unsern Nachbarinnen Bekanntschaft gemacht, die
gegen Leute, die, so arm wie sie scheinen,
außerordentlich zuvorkommend sind. So ist al-
les im schönsten Zuge, und ich verspreche mir
den glücklichsten Fortgang.

Was das Mädchen närrisch ist! Sie hat
nun schon viel mit mir gesprochen, und ist außer-

32.
William Lovell an Roſa.


Ich habe Ihnen ſeit einigen Tagen keine Nach-
richten gegeben, weil ich ſo vielerley einzurich-
ten und zu beſorgen hatte, daß mir wirklich kei-
ne Zeit uͤbrig blieb.

Ich habe nach vielen Umſtaͤnden meinen al-
ten Willy beredet, in die benachbarte leerſte-
hende Huͤtte neben Roſalinen einzuziehen; dort
gilt er fuͤr meinen Vater, einen alten Venetia-
ner, der hieher gekommen iſt, um in Rom ſein
duͤrftiges Auskommen zu finden. Ich heiße An-
tonio. — Ich bin nun den groͤßten Theil des
Tages in einer gemeinen Tracht, die mich recht
gut verſtellt, bey Willy. Wir haben ſchon mit
unſern Nachbarinnen Bekanntſchaft gemacht, die
gegen Leute, die, ſo arm wie ſie ſcheinen,
außerordentlich zuvorkommend ſind. So iſt al-
les im ſchoͤnſten Zuge, und ich verſpreche mir
den gluͤcklichſten Fortgang.

Was das Maͤdchen naͤrriſch iſt! Sie hat
nun ſchon viel mit mir geſprochen, und iſt außer-

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[137/0143] 32. William Lovell an Roſa. Rom. Ich habe Ihnen ſeit einigen Tagen keine Nach- richten gegeben, weil ich ſo vielerley einzurich- ten und zu beſorgen hatte, daß mir wirklich kei- ne Zeit uͤbrig blieb. Ich habe nach vielen Umſtaͤnden meinen al- ten Willy beredet, in die benachbarte leerſte- hende Huͤtte neben Roſalinen einzuziehen; dort gilt er fuͤr meinen Vater, einen alten Venetia- ner, der hieher gekommen iſt, um in Rom ſein duͤrftiges Auskommen zu finden. Ich heiße An- tonio. — Ich bin nun den groͤßten Theil des Tages in einer gemeinen Tracht, die mich recht gut verſtellt, bey Willy. Wir haben ſchon mit unſern Nachbarinnen Bekanntſchaft gemacht, die gegen Leute, die, ſo arm wie ſie ſcheinen, außerordentlich zuvorkommend ſind. So iſt al- les im ſchoͤnſten Zuge, und ich verſpreche mir den gluͤcklichſten Fortgang. Was das Maͤdchen naͤrriſch iſt! Sie hat nun ſchon viel mit mir geſprochen, und iſt außer-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/143>, abgerufen am 23.04.2024.