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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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42.
Rosaline an Anthonio.

Du kannst das Lied vom Anthonio nicht lei-
den? Mein liebstes Lied, weil es Deinen Nah-
men führt? Ach, Lieber, wie unrecht thust Du
mir! Dir zum Possen soll ich es singen, und
ich will mich dadurch trösten, weil ich nicht
wieder herausgehn konnte. Die Mutter war
böse und hatte mir es streng verboten, und ich
muß ihr doch gehorchen. Sie will nicht gern,
daß ich so viel bey Dir bin. Nein, wenn es
Dir nicht gefällt, will ich das Lied nie mehr
spielen, so sehr ich es auch liebe. Ich Dich
kränken! Ach, Anthonio, wie sollt ich das kön-
nen? -- Wenn Du da bist, schäm' ich mich
nur immer zu sagen, wie gut ich Dir bin: man
hat keine Worte dazu, ich müßte neue ausden-
ken, und das geht denn nicht. Aber wenn Du
so weggegangen bist, und ich Dir nun nachsehe,
oder wenn ich einen Deiner Briefe lese, sieh,
so kehrt sich mir das ganze Herz um, und ich
möchte Dir nachrennen, Dich vor der ganzen
Welt in meine Arme drücken, Dein liebes Ge-

42.
Roſaline an Anthonio.

Du kannſt das Lied vom Anthonio nicht lei-
den? Mein liebſtes Lied, weil es Deinen Nah-
men fuͤhrt? Ach, Lieber, wie unrecht thuſt Du
mir! Dir zum Poſſen ſoll ich es ſingen, und
ich will mich dadurch troͤſten, weil ich nicht
wieder herausgehn konnte. Die Mutter war
boͤſe und hatte mir es ſtreng verboten, und ich
muß ihr doch gehorchen. Sie will nicht gern,
daß ich ſo viel bey Dir bin. Nein, wenn es
Dir nicht gefaͤllt, will ich das Lied nie mehr
ſpielen, ſo ſehr ich es auch liebe. Ich Dich
kraͤnken! Ach, Anthonio, wie ſollt ich das koͤn-
nen? — Wenn Du da biſt, ſchaͤm’ ich mich
nur immer zu ſagen, wie gut ich Dir bin: man
hat keine Worte dazu, ich muͤßte neue ausden-
ken, und das geht denn nicht. Aber wenn Du
ſo weggegangen biſt, und ich Dir nun nachſehe,
oder wenn ich einen Deiner Briefe leſe, ſieh,
ſo kehrt ſich mir das ganze Herz um, und ich
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[165/0171] 42. Roſaline an Anthonio. Du kannſt das Lied vom Anthonio nicht lei- den? Mein liebſtes Lied, weil es Deinen Nah- men fuͤhrt? Ach, Lieber, wie unrecht thuſt Du mir! Dir zum Poſſen ſoll ich es ſingen, und ich will mich dadurch troͤſten, weil ich nicht wieder herausgehn konnte. Die Mutter war boͤſe und hatte mir es ſtreng verboten, und ich muß ihr doch gehorchen. Sie will nicht gern, daß ich ſo viel bey Dir bin. Nein, wenn es Dir nicht gefaͤllt, will ich das Lied nie mehr ſpielen, ſo ſehr ich es auch liebe. Ich Dich kraͤnken! Ach, Anthonio, wie ſollt ich das koͤn- nen? — Wenn Du da biſt, ſchaͤm’ ich mich nur immer zu ſagen, wie gut ich Dir bin: man hat keine Worte dazu, ich muͤßte neue ausden- ken, und das geht denn nicht. Aber wenn Du ſo weggegangen biſt, und ich Dir nun nachſehe, oder wenn ich einen Deiner Briefe leſe, ſieh, ſo kehrt ſich mir das ganze Herz um, und ich moͤchte Dir nachrennen, Dich vor der ganzen Welt in meine Arme druͤcken, Dein liebes Ge-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/171>, abgerufen am 25.04.2024.