Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

1.
William Lovell an Rosa.


Wenn man sich noch einige Zeit nach dem ge-
endigten Schauspiele verweilt, wie dann der
Vorhang wieder in die Höhe geht, und einzelne
Stücke von Dekorationen an den kahlen Wän-
den hängen, Waffen und Rüstungen zerstreut auf
dem Boden liegen, die emsigen Aufseher die Lich-
ter auslöschen und sammeln, hin und wieder ein
schlechter Schauspieler noch mit tragischem Schrit-
te auf- und niedergeht, und seine Rolle nicht
vergessen kann: so, Rosa, in diesem armseligen
Lichte erscheint mir jetzt das Leben. Alles sieht mir
so abgetragen und dürftig aus. Die Menschen sind
mir nichts als schlechte Komödianten, Tugend-
helden oder witzige Köpfe, Liebhaber oder zärt-
liche Väter, nachdem es ihre Rolle mit sich
bringt, die sie so schlecht, wie es nur immer

O 2

1.
William Lovell an Roſa.


Wenn man ſich noch einige Zeit nach dem ge-
endigten Schauſpiele verweilt, wie dann der
Vorhang wieder in die Hoͤhe geht, und einzelne
Stuͤcke von Dekorationen an den kahlen Waͤn-
den haͤngen, Waffen und Ruͤſtungen zerſtreut auf
dem Boden liegen, die emſigen Aufſeher die Lich-
ter ausloͤſchen und ſammeln, hin und wieder ein
ſchlechter Schauſpieler noch mit tragiſchem Schrit-
te auf- und niedergeht, und ſeine Rolle nicht
vergeſſen kann: ſo, Roſa, in dieſem armſeligen
Lichte erſcheint mir jetzt das Leben. Alles ſieht mir
ſo abgetragen und duͤrftig aus. Die Menſchen ſind
mir nichts als ſchlechte Komoͤdianten, Tugend-
helden oder witzige Koͤpfe, Liebhaber oder zaͤrt-
liche Vaͤter, nachdem es ihre Rolle mit ſich
bringt, die ſie ſo ſchlecht, wie es nur immer

O 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0217" n="[211]"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>1.<lb/><hi rendition="#g">William Lovell an Ro&#x017F;a</hi>.</head><lb/>
          <dateline>
            <placeName> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Rom</hi>.</hi> </placeName>
          </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">W</hi>enn man &#x017F;ich noch einige Zeit nach dem ge-<lb/>
endigten Schau&#x017F;piele verweilt, wie dann der<lb/>
Vorhang wieder in die Ho&#x0364;he geht, und einzelne<lb/>
Stu&#x0364;cke von Dekorationen an den kahlen Wa&#x0364;n-<lb/>
den ha&#x0364;ngen, Waffen und Ru&#x0364;&#x017F;tungen zer&#x017F;treut auf<lb/>
dem Boden liegen, die em&#x017F;igen Auf&#x017F;eher die Lich-<lb/>
ter auslo&#x0364;&#x017F;chen und &#x017F;ammeln, hin und wieder ein<lb/>
&#x017F;chlechter Schau&#x017F;pieler noch mit tragi&#x017F;chem Schrit-<lb/>
te auf- und niedergeht, und &#x017F;eine Rolle nicht<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;en kann: &#x017F;o, Ro&#x017F;a, in die&#x017F;em arm&#x017F;eligen<lb/>
Lichte er&#x017F;cheint mir jetzt das Leben. Alles &#x017F;ieht mir<lb/>
&#x017F;o abgetragen und du&#x0364;rftig aus. Die Men&#x017F;chen &#x017F;ind<lb/>
mir nichts als &#x017F;chlechte Komo&#x0364;dianten, Tugend-<lb/>
helden oder witzige Ko&#x0364;pfe, Liebhaber oder za&#x0364;rt-<lb/>
liche Va&#x0364;ter, nachdem es ihre Rolle mit &#x017F;ich<lb/>
bringt, die &#x017F;ie &#x017F;o &#x017F;chlecht, wie es nur immer<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[211]/0217] 1. William Lovell an Roſa. Rom. Wenn man ſich noch einige Zeit nach dem ge- endigten Schauſpiele verweilt, wie dann der Vorhang wieder in die Hoͤhe geht, und einzelne Stuͤcke von Dekorationen an den kahlen Waͤn- den haͤngen, Waffen und Ruͤſtungen zerſtreut auf dem Boden liegen, die emſigen Aufſeher die Lich- ter ausloͤſchen und ſammeln, hin und wieder ein ſchlechter Schauſpieler noch mit tragiſchem Schrit- te auf- und niedergeht, und ſeine Rolle nicht vergeſſen kann: ſo, Roſa, in dieſem armſeligen Lichte erſcheint mir jetzt das Leben. Alles ſieht mir ſo abgetragen und duͤrftig aus. Die Menſchen ſind mir nichts als ſchlechte Komoͤdianten, Tugend- helden oder witzige Koͤpfe, Liebhaber oder zaͤrt- liche Vaͤter, nachdem es ihre Rolle mit ſich bringt, die ſie ſo ſchlecht, wie es nur immer O 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/217
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. [211]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/217>, abgerufen am 25.04.2024.