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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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und reiner Liebe, ist nichts als poetische Fik-
tion, die mir gerade so vorkömmt, wie die
Gedichte an die Diana und den Apollo in un-
sern Dichtern. -- Wer sich daran erlustigen
kann, dem gönne ich es recht gern, aber allen
diesen Menschen die im Ernste davon sprechen
können, ist die Binde der Kindheit noch nicht
von den Augen genommen. Diese sind nützliche
Mobilien für den ältern und klügern Menschen
der sie auf eine gute Art anzustellen weiß.




Immer ist es mir zuwider gewesen, wenn
ich den Nahmen Cromwell nennen höre, oder
ihn lese, um das Muster eines schlechten und
ausgearteten Menschen aufzustellen, denn es
wird mir fast bey keinem Charakter so leicht
und natürlich, mich in ihn hineinzugedenken,
und so für mich alle seine seltsamen Wider-
sprüche aufzulösen. Alle die Laster die man ihm
gewöhnlich vorwirft, sind es nur deswegen,
weil die Menschen nicht die Fähigkeit besitzen,
ihre Seele in Gedanken mit einem andern Cha-

und reiner Liebe, iſt nichts als poetiſche Fik-
tion, die mir gerade ſo vorkoͤmmt, wie die
Gedichte an die Diana und den Apollo in un-
ſern Dichtern. — Wer ſich daran erluſtigen
kann, dem goͤnne ich es recht gern, aber allen
dieſen Menſchen die im Ernſte davon ſprechen
koͤnnen, iſt die Binde der Kindheit noch nicht
von den Augen genommen. Dieſe ſind nuͤtzliche
Mobilien fuͤr den aͤltern und kluͤgern Menſchen
der ſie auf eine gute Art anzuſtellen weiß.




Immer iſt es mir zuwider geweſen, wenn
ich den Nahmen Cromwell nennen hoͤre, oder
ihn leſe, um das Muſter eines ſchlechten und
ausgearteten Menſchen aufzuſtellen, denn es
wird mir faſt bey keinem Charakter ſo leicht
und natuͤrlich, mich in ihn hineinzugedenken,
und ſo fuͤr mich alle ſeine ſeltſamen Wider-
ſpruͤche aufzuloͤſen. Alle die Laſter die man ihm
gewoͤhnlich vorwirft, ſind es nur deswegen,
weil die Menſchen nicht die Faͤhigkeit beſitzen,
ihre Seele in Gedanken mit einem andern Cha-

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[410/0416] und reiner Liebe, iſt nichts als poetiſche Fik- tion, die mir gerade ſo vorkoͤmmt, wie die Gedichte an die Diana und den Apollo in un- ſern Dichtern. — Wer ſich daran erluſtigen kann, dem goͤnne ich es recht gern, aber allen dieſen Menſchen die im Ernſte davon ſprechen koͤnnen, iſt die Binde der Kindheit noch nicht von den Augen genommen. Dieſe ſind nuͤtzliche Mobilien fuͤr den aͤltern und kluͤgern Menſchen der ſie auf eine gute Art anzuſtellen weiß. Bald nachher geſchrieben. Immer iſt es mir zuwider geweſen, wenn ich den Nahmen Cromwell nennen hoͤre, oder ihn leſe, um das Muſter eines ſchlechten und ausgearteten Menſchen aufzuſtellen, denn es wird mir faſt bey keinem Charakter ſo leicht und natuͤrlich, mich in ihn hineinzugedenken, und ſo fuͤr mich alle ſeine ſeltſamen Wider- ſpruͤche aufzuloͤſen. Alle die Laſter die man ihm gewoͤhnlich vorwirft, ſind es nur deswegen, weil die Menſchen nicht die Faͤhigkeit beſitzen, ihre Seele in Gedanken mit einem andern Cha-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/416>, abgerufen am 25.04.2024.