Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
7.
Rosa an Francesko.

Sie haben mir durch Ihren Brief sehr weh
gethan, lieber Francesko. Soll ich Ihnen sa-
gen, daß Sie Recht haben, soll ich den Ver-
such machen, Ihnen das Gegentheil zu beweisen?
Beides wag' ich nicht. Schon seit lange bin
ich von allen Seiten mit Irrthümern und Zwei-
feln umgeben; ich kann keinen Schritt vor und
keinen zurück thun, ohne zu straucheln. Wie
glucklich sind Sie und Adriano, da Sie sich so
ungebunden fühlen, da Sie überzeugt zu seyn
glauben!

Sie können sich meine Lage vielleicht gar
nicht vorstellen. In einer Ungewißheit, daß ich
darüber würfeln möchte, wie ich von Andrea
denken soll, bald zu einer tiefen Verehrung
hingerissen, bald von einem niedrigen Argwohn
angelockt, -- mir bewußt, wie sehr ich gegen
mich selbst geheuchelt und wie viel ich ihm zu
danken habe, -- o Francesko, es wäre um

7.
Roſa an Francesko.

Sie haben mir durch Ihren Brief ſehr weh
gethan, lieber Francesko. Soll ich Ihnen ſa-
gen, daß Sie Recht haben, ſoll ich den Ver-
ſuch machen, Ihnen das Gegentheil zu beweiſen?
Beides wag' ich nicht. Schon ſeit lange bin
ich von allen Seiten mit Irrthuͤmern und Zwei-
feln umgeben; ich kann keinen Schritt vor und
keinen zuruͤck thun, ohne zu ſtraucheln. Wie
glucklich ſind Sie und Adriano, da Sie ſich ſo
ungebunden fuͤhlen, da Sie uͤberzeugt zu ſeyn
glauben!

Sie koͤnnen ſich meine Lage vielleicht gar
nicht vorſtellen. In einer Ungewißheit, daß ich
daruͤber wuͤrfeln moͤchte, wie ich von Andrea
denken ſoll, bald zu einer tiefen Verehrung
hingeriſſen, bald von einem niedrigen Argwohn
angelockt, — mir bewußt, wie ſehr ich gegen
mich ſelbſt geheuchelt und wie viel ich ihm zu
danken habe, — o Francesko, es waͤre um

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0188" n="181"/>
        <div n="2">
          <head>7.<lb/><hi rendition="#g">Ro&#x017F;a</hi> an <hi rendition="#g">Francesko</hi>.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Tivoli</hi>.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">S</hi>ie haben mir durch Ihren Brief &#x017F;ehr weh<lb/>
gethan, lieber Francesko. Soll ich Ihnen &#x017F;a-<lb/>
gen, daß Sie Recht haben, &#x017F;oll ich den Ver-<lb/>
&#x017F;uch machen, Ihnen das Gegentheil zu bewei&#x017F;en?<lb/>
Beides wag' ich nicht. Schon &#x017F;eit lange bin<lb/>
ich von allen Seiten mit Irrthu&#x0364;mern und Zwei-<lb/>
feln umgeben; ich kann keinen Schritt vor und<lb/>
keinen zuru&#x0364;ck thun, ohne zu &#x017F;traucheln. Wie<lb/>
glucklich &#x017F;ind Sie und Adriano, da Sie &#x017F;ich &#x017F;o<lb/>
ungebunden fu&#x0364;hlen, da Sie u&#x0364;berzeugt zu &#x017F;eyn<lb/>
glauben!</p><lb/>
          <p>Sie ko&#x0364;nnen &#x017F;ich meine Lage vielleicht gar<lb/>
nicht vor&#x017F;tellen. In einer Ungewißheit, daß ich<lb/>
daru&#x0364;ber wu&#x0364;rfeln mo&#x0364;chte, wie ich von Andrea<lb/>
denken &#x017F;oll, bald zu einer tiefen Verehrung<lb/>
hingeri&#x017F;&#x017F;en, bald von einem niedrigen Argwohn<lb/>
angelockt, &#x2014; mir bewußt, wie &#x017F;ehr ich gegen<lb/>
mich &#x017F;elb&#x017F;t geheuchelt und wie viel ich ihm zu<lb/>
danken habe, &#x2014; o Francesko, es wa&#x0364;re um<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0188] 7. Roſa an Francesko. Tivoli. Sie haben mir durch Ihren Brief ſehr weh gethan, lieber Francesko. Soll ich Ihnen ſa- gen, daß Sie Recht haben, ſoll ich den Ver- ſuch machen, Ihnen das Gegentheil zu beweiſen? Beides wag' ich nicht. Schon ſeit lange bin ich von allen Seiten mit Irrthuͤmern und Zwei- feln umgeben; ich kann keinen Schritt vor und keinen zuruͤck thun, ohne zu ſtraucheln. Wie glucklich ſind Sie und Adriano, da Sie ſich ſo ungebunden fuͤhlen, da Sie uͤberzeugt zu ſeyn glauben! Sie koͤnnen ſich meine Lage vielleicht gar nicht vorſtellen. In einer Ungewißheit, daß ich daruͤber wuͤrfeln moͤchte, wie ich von Andrea denken ſoll, bald zu einer tiefen Verehrung hingeriſſen, bald von einem niedrigen Argwohn angelockt, — mir bewußt, wie ſehr ich gegen mich ſelbſt geheuchelt und wie viel ich ihm zu danken habe, — o Francesko, es waͤre um

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/188
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/188>, abgerufen am 19.04.2024.