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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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13.
Mortimer an Eduard Burton.

Es ist im Leben nicht anders, es wechselt alles
wie Sonne und Mond, wie Licht und Finster-
niß. Hoffnung und Furcht ist die Lebenskraft,
die unser Herz in Bewegung erhält und in je-
dem Moment der Leidenschaft sollten wir schon
auf diese Abwechslung rechnen. Das Leben ist
nichts anders, als ein ewiges Laviren zwischen
Klippen und Sandbänken, die Freude verdirbt
unser Herz eben so sehr als die Quaal, und
eine feste Ruhe und gleichförmige Heiterkeit ist
unmöglich. Unglück macht menschenfeindlich,
mißtrauisch, verschlossen, der Mensch wird da-
durch ein finstrer Egoist, und indem er auf
alles resignirt, hat er den Stolz sich selbst zu
genügen. Das Glück ist die Mutter der Eitel-
keit, selbst der Vernünftigste wird sich im Stil-
len für wichtiger halten, als er ist; Eitelkeit
und Selbstsucht lassen den Menschen vielleicht
nie ganz los, im ewigen Kampfe mit ihnen be-

13.
Mortimer an Eduard Burton.

Es iſt im Leben nicht anders, es wechſelt alles
wie Sonne und Mond, wie Licht und Finſter-
niß. Hoffnung und Furcht iſt die Lebenskraft,
die unſer Herz in Bewegung erhaͤlt und in je-
dem Moment der Leidenſchaft ſollten wir ſchon
auf dieſe Abwechslung rechnen. Das Leben iſt
nichts anders, als ein ewiges Laviren zwiſchen
Klippen und Sandbaͤnken, die Freude verdirbt
unſer Herz eben ſo ſehr als die Quaal, und
eine feſte Ruhe und gleichfoͤrmige Heiterkeit iſt
unmoͤglich. Ungluͤck macht menſchenfeindlich,
mißtrauiſch, verſchloſſen, der Menſch wird da-
durch ein finſtrer Egoiſt, und indem er auf
alles reſignirt, hat er den Stolz ſich ſelbſt zu
genuͤgen. Das Gluͤck iſt die Mutter der Eitel-
keit, ſelbſt der Vernuͤnftigſte wird ſich im Stil-
len fuͤr wichtiger halten, als er iſt; Eitelkeit
und Selbſtſucht laſſen den Menſchen vielleicht
nie ganz los, im ewigen Kampfe mit ihnen be-

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[202/0209] 13. Mortimer an Eduard Burton. Roger — place. Es iſt im Leben nicht anders, es wechſelt alles wie Sonne und Mond, wie Licht und Finſter- niß. Hoffnung und Furcht iſt die Lebenskraft, die unſer Herz in Bewegung erhaͤlt und in je- dem Moment der Leidenſchaft ſollten wir ſchon auf dieſe Abwechslung rechnen. Das Leben iſt nichts anders, als ein ewiges Laviren zwiſchen Klippen und Sandbaͤnken, die Freude verdirbt unſer Herz eben ſo ſehr als die Quaal, und eine feſte Ruhe und gleichfoͤrmige Heiterkeit iſt unmoͤglich. Ungluͤck macht menſchenfeindlich, mißtrauiſch, verſchloſſen, der Menſch wird da- durch ein finſtrer Egoiſt, und indem er auf alles reſignirt, hat er den Stolz ſich ſelbſt zu genuͤgen. Das Gluͤck iſt die Mutter der Eitel- keit, ſelbſt der Vernuͤnftigſte wird ſich im Stil- len fuͤr wichtiger halten, als er iſt; Eitelkeit und Selbſtſucht laſſen den Menſchen vielleicht nie ganz los, im ewigen Kampfe mit ihnen be-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/209>, abgerufen am 25.04.2024.