Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
40.
Betty an Amalie.

Wie befinden Sie sich, theuerste Amalie? --
Wenn Sie eben soviel an mich denken, wie ich
an Sie, so denken Sie recht oft an mich; doch
das darf ich nicht hoffen. Sie sind immer so
gut und Ihre Briefe sind so gut, daß ich glaube,
ich könnte auf Erden keine bessere Freundinn
finden. Nach Eduard liebe ich Sie und mei-
nen alten lieben Vater am meisten, der zwar
zuweilen etwas viel spricht, es aber doch immer
herzlich gut meint. Manche Leute haben ihm
daraus zuweilen einen Vorwurf gemacht, aber
man lasse doch den alten Mann, wenn es ihm
nur Vergnügen macht. Sehn Sie, in seinem
Elende konnte er sich manchmal recht gut trö-
sten, wenn er selbst lange Reden über das Un-
glück, oder über seine Standhaftigkeit hielt;
er sagte selbst, daß im Sprechen eine große
Erleichterung stecke. Freilich, wird mein Vater
keinem andern Menschen so liebenswürdig vor-

Lovell. 3r Bd. S
40.
Betty an Amalie.

Wie befinden Sie ſich, theuerſte Amalie? —
Wenn Sie eben ſoviel an mich denken, wie ich
an Sie, ſo denken Sie recht oft an mich; doch
das darf ich nicht hoffen. Sie ſind immer ſo
gut und Ihre Briefe ſind ſo gut, daß ich glaube,
ich koͤnnte auf Erden keine beſſere Freundinn
finden. Nach Eduard liebe ich Sie und mei-
nen alten lieben Vater am meiſten, der zwar
zuweilen etwas viel ſpricht, es aber doch immer
herzlich gut meint. Manche Leute haben ihm
daraus zuweilen einen Vorwurf gemacht, aber
man laſſe doch den alten Mann, wenn es ihm
nur Vergnuͤgen macht. Sehn Sie, in ſeinem
Elende konnte er ſich manchmal recht gut troͤ-
ſten, wenn er ſelbſt lange Reden uͤber das Un-
gluͤck, oder uͤber ſeine Standhaftigkeit hielt;
er ſagte ſelbſt, daß im Sprechen eine große
Erleichterung ſtecke. Freilich, wird mein Vater
keinem andern Menſchen ſo liebenswuͤrdig vor-

Lovell. 3r Bd. S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0280" n="273"/>
        <div n="2">
          <head>40.<lb/><hi rendition="#g">Betty</hi> an <hi rendition="#g">Amalie</hi>.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Bon&#x017F;treet</hi>.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">W</hi>ie befinden Sie &#x017F;ich, theuer&#x017F;te Amalie? &#x2014;<lb/>
Wenn Sie eben &#x017F;oviel an mich denken, wie ich<lb/>
an Sie, &#x017F;o denken Sie recht oft an mich; doch<lb/>
das darf ich nicht hoffen. Sie &#x017F;ind immer &#x017F;o<lb/>
gut und Ihre Briefe &#x017F;ind &#x017F;o gut, daß ich glaube,<lb/>
ich ko&#x0364;nnte auf Erden keine be&#x017F;&#x017F;ere Freundinn<lb/>
finden. Nach Eduard liebe ich Sie und mei-<lb/>
nen alten lieben Vater am mei&#x017F;ten, der zwar<lb/>
zuweilen etwas viel &#x017F;pricht, es aber doch immer<lb/>
herzlich gut meint. Manche Leute haben ihm<lb/>
daraus zuweilen einen Vorwurf gemacht, aber<lb/>
man la&#x017F;&#x017F;e doch den alten Mann, wenn es ihm<lb/>
nur Vergnu&#x0364;gen macht. Sehn Sie, in &#x017F;einem<lb/>
Elende konnte er &#x017F;ich manchmal recht gut tro&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ten, wenn er &#x017F;elb&#x017F;t lange Reden u&#x0364;ber das Un-<lb/>
glu&#x0364;ck, oder u&#x0364;ber &#x017F;eine Standhaftigkeit hielt;<lb/>
er &#x017F;agte &#x017F;elb&#x017F;t, daß im Sprechen eine große<lb/>
Erleichterung &#x017F;tecke. Freilich, wird mein Vater<lb/>
keinem andern Men&#x017F;chen &#x017F;o liebenswu&#x0364;rdig vor-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Lovell. 3r Bd. S</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0280] 40. Betty an Amalie. Bonſtreet. Wie befinden Sie ſich, theuerſte Amalie? — Wenn Sie eben ſoviel an mich denken, wie ich an Sie, ſo denken Sie recht oft an mich; doch das darf ich nicht hoffen. Sie ſind immer ſo gut und Ihre Briefe ſind ſo gut, daß ich glaube, ich koͤnnte auf Erden keine beſſere Freundinn finden. Nach Eduard liebe ich Sie und mei- nen alten lieben Vater am meiſten, der zwar zuweilen etwas viel ſpricht, es aber doch immer herzlich gut meint. Manche Leute haben ihm daraus zuweilen einen Vorwurf gemacht, aber man laſſe doch den alten Mann, wenn es ihm nur Vergnuͤgen macht. Sehn Sie, in ſeinem Elende konnte er ſich manchmal recht gut troͤ- ſten, wenn er ſelbſt lange Reden uͤber das Un- gluͤck, oder uͤber ſeine Standhaftigkeit hielt; er ſagte ſelbſt, daß im Sprechen eine große Erleichterung ſtecke. Freilich, wird mein Vater keinem andern Menſchen ſo liebenswuͤrdig vor- Lovell. 3r Bd. S

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/280
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/280>, abgerufen am 25.04.2024.