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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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27.
William Lovell an Rosa.

Was sagen Sie nun zu Andreas grausamen
Erklärungen? Ich kann manche Stellen gar
nicht aus dem Gedächtnisse verlieren. -- Wie
freute ich mich, als mir eine Woche nach sei-
nem Tode diese Papiere überreicht wurden!
Ich hoffte nun noch eine Art von Beruhigung
zu finden, und eben nun war alles vorüber.

Hab' ich mein ganzes Leben nicht verschleu-
dert, um diesem entsetzlichen Menschen zu ge-
fallen, um ihm näher zu kommen? War sein
Umgang, die Hoffnung auf seinen Betrug nicht
die letzte meines Lebens? Doch, das habe ich
Ihnen ja oft genug in meinen Briefen gesagt.

Ich mag gar nicht mehr klagen, denn
selbst dazu ist die Kraft in mir erloschen.
Bianka ist gestorben, ich besuchte sie einige
Tage vor ihrem Tode. Sie gestand mir, daß
sie schon seit lange etwas auf dem Herzen habe,
das sie mir entdecken müsse. Sie sagte mir,

27.
William Lovell an Roſa.

Was ſagen Sie nun zu Andreas grauſamen
Erklaͤrungen? Ich kann manche Stellen gar
nicht aus dem Gedaͤchtniſſe verlieren. — Wie
freute ich mich, als mir eine Woche nach ſei-
nem Tode dieſe Papiere uͤberreicht wurden!
Ich hoffte nun noch eine Art von Beruhigung
zu finden, und eben nun war alles voruͤber.

Hab' ich mein ganzes Leben nicht verſchleu-
dert, um dieſem entſetzlichen Menſchen zu ge-
fallen, um ihm naͤher zu kommen? War ſein
Umgang, die Hoffnung auf ſeinen Betrug nicht
die letzte meines Lebens? Doch, das habe ich
Ihnen ja oft genug in meinen Briefen geſagt.

Ich mag gar nicht mehr klagen, denn
ſelbſt dazu iſt die Kraft in mir erloſchen.
Bianka iſt geſtorben, ich beſuchte ſie einige
Tage vor ihrem Tode. Sie geſtand mir, daß
ſie ſchon ſeit lange etwas auf dem Herzen habe,
das ſie mir entdecken muͤſſe. Sie ſagte mir,

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[457/0464] 27. William Lovell an Roſa. Rom. Was ſagen Sie nun zu Andreas grauſamen Erklaͤrungen? Ich kann manche Stellen gar nicht aus dem Gedaͤchtniſſe verlieren. — Wie freute ich mich, als mir eine Woche nach ſei- nem Tode dieſe Papiere uͤberreicht wurden! Ich hoffte nun noch eine Art von Beruhigung zu finden, und eben nun war alles voruͤber. Hab' ich mein ganzes Leben nicht verſchleu- dert, um dieſem entſetzlichen Menſchen zu ge- fallen, um ihm naͤher zu kommen? War ſein Umgang, die Hoffnung auf ſeinen Betrug nicht die letzte meines Lebens? Doch, das habe ich Ihnen ja oft genug in meinen Briefen geſagt. Ich mag gar nicht mehr klagen, denn ſelbſt dazu iſt die Kraft in mir erloſchen. Bianka iſt geſtorben, ich beſuchte ſie einige Tage vor ihrem Tode. Sie geſtand mir, daß ſie ſchon ſeit lange etwas auf dem Herzen habe, das ſie mir entdecken muͤſſe. Sie ſagte mir,

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/464>, abgerufen am 25.04.2024.