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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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21.
William Lovell an Rosa.

Wie mögen Sie in Rom und Tivoli leben?
Ich denke kaum noch an meine Existenz, so bunt
und verworren wirft sich alles über einander.
Ich fange Zufälle und Bege[be]nheiten auf, ohne
zu wissen, was ich mit ihnen thun soll.

Wenn ich aus meinem Herzen nur den in-
nigen Widerwillen fortschaffen könnte, mit dem
ich jede menschliche Gestalt betrachte, wenn ich
den Neid unterdrücken könnte, gegen jedermann,
der lächelt und froh ist! -- Warum müssen sich
Tausende unter den nichtswürdigen Menschen
glücklich fühlen, und nur ich allein bin in mir
selbst zu Boden getreten?

Sie sehn aus der Ueberschrift, daß ich nicht
mehr in Bonstreet bin, alles ist mißlungen, ich
bin in Verzweiflung. Eduard hat triumphirt
und ich bin besiegt. -- Doch nein, ich habe
mich wenigstens an ihm gerächt.

Als ich in Bonstreet war, erwachte alles
in mir, wie er die Güter meines Vaters gewiß

21.
William Lovell an Roſa.

Wie moͤgen Sie in Rom und Tivoli leben?
Ich denke kaum noch an meine Exiſtenz, ſo bunt
und verworren wirft ſich alles uͤber einander.
Ich fange Zufaͤlle und Bege[be]nheiten auf, ohne
zu wiſſen, was ich mit ihnen thun ſoll.

Wenn ich aus meinem Herzen nur den in-
nigen Widerwillen fortſchaffen koͤnnte, mit dem
ich jede menſchliche Geſtalt betrachte, wenn ich
den Neid unterdruͤcken koͤnnte, gegen jedermann,
der laͤchelt und froh iſt! — Warum muͤſſen ſich
Tauſende unter den nichtswuͤrdigen Menſchen
gluͤcklich fuͤhlen, und nur ich allein bin in mir
ſelbſt zu Boden getreten?

Sie ſehn aus der Ueberſchrift, daß ich nicht
mehr in Bonſtreet bin, alles iſt mißlungen, ich
bin in Verzweiflung. Eduard hat triumphirt
und ich bin beſiegt. — Doch nein, ich habe
mich wenigſtens an ihm geraͤcht.

Als ich in Bonſtreet war, erwachte alles
in mir, wie er die Guͤter meines Vaters gewiß

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[82/0089] 21. William Lovell an Roſa. Nottingham. Wie moͤgen Sie in Rom und Tivoli leben? Ich denke kaum noch an meine Exiſtenz, ſo bunt und verworren wirft ſich alles uͤber einander. Ich fange Zufaͤlle und Begebenheiten auf, ohne zu wiſſen, was ich mit ihnen thun ſoll. Wenn ich aus meinem Herzen nur den in- nigen Widerwillen fortſchaffen koͤnnte, mit dem ich jede menſchliche Geſtalt betrachte, wenn ich den Neid unterdruͤcken koͤnnte, gegen jedermann, der laͤchelt und froh iſt! — Warum muͤſſen ſich Tauſende unter den nichtswuͤrdigen Menſchen gluͤcklich fuͤhlen, und nur ich allein bin in mir ſelbſt zu Boden getreten? Sie ſehn aus der Ueberſchrift, daß ich nicht mehr in Bonſtreet bin, alles iſt mißlungen, ich bin in Verzweiflung. Eduard hat triumphirt und ich bin beſiegt. — Doch nein, ich habe mich wenigſtens an ihm geraͤcht. Als ich in Bonſtreet war, erwachte alles in mir, wie er die Guͤter meines Vaters gewiß

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/89>, abgerufen am 18.04.2024.