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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
Schlosser. Ist es denn vielleicht eine Oper?
Fischer. Nichts weniger, auf dem Komö-
dienzettel steht: ein Kindermährchen.
Schlosser. Ein Kindermährchen? Aber ums
Himmels Willen, sind wir denn Kinder, daß man
uns solche Stücke aufführen will? Es wird doch
wohl nun und nimmermehr ein ordentlicher Kater
aufs Theater kommen?
Fischer. Wie ich es mir zusammen reime,
so ist es eine Nachahmung der neuen Arkadier,
und es kommt ein verruchter Bösewicht, ein kater-
artiges Ungeheuer vor, mit dem es fast solche Be-
wandniß, wie mit dem Tarkaleon hat, nur daß
er etwa statt roth ums Maul, schwärzlich gefärbt ist.
Müller. Das wäre nun nicht übel, denn
ich habe schon längst gewünscht, eine solche recht
wunderbare Oper einmal ohne Musik zu sehn.
Fischer. Wie? Ohne Musik? Ohne Musik,
Freund, ist dergleichen abgeschmackt, denn ich ver-
sichre Sie, Liebster, Bester, nur durch diese himm-
lische Kunst bringen wir alle die Dummheiten hin-
unter. Ei was, genau genommen sind wir über
Fratzen und Aberglauben weg; die Aufklärung hat
ihre Früchte getragen, wie sichs gehört.
Müller. So ist es wohl ein ordentliches
Familiengemählde, und nur ein Spaß, gleichsam
ein einladender Scherz mit dem Kater, nur eine
Veranlassung, wenn ich so sagen darf, oder ein
bizarrer Titel, Zuschauer anzulocken.
Schlosser. Wenn ich meine rechte Mei-
nung sagen soll, so halte ich das Ganze für einen
Zweite Abtheilung.
Schloſſer. Iſt es denn vielleicht eine Oper?
Fiſcher. Nichts weniger, auf dem Komoͤ-
dienzettel ſteht: ein Kindermaͤhrchen.
Schloſſer. Ein Kindermaͤhrchen? Aber ums
Himmels Willen, ſind wir denn Kinder, daß man
uns ſolche Stuͤcke auffuͤhren will? Es wird doch
wohl nun und nimmermehr ein ordentlicher Kater
aufs Theater kommen?
Fiſcher. Wie ich es mir zuſammen reime,
ſo iſt es eine Nachahmung der neuen Arkadier,
und es kommt ein verruchter Boͤſewicht, ein kater-
artiges Ungeheuer vor, mit dem es faſt ſolche Be-
wandniß, wie mit dem Tarkaleon hat, nur daß
er etwa ſtatt roth ums Maul, ſchwaͤrzlich gefaͤrbt iſt.
Muͤller. Das waͤre nun nicht uͤbel, denn
ich habe ſchon laͤngſt gewuͤnſcht, eine ſolche recht
wunderbare Oper einmal ohne Muſik zu ſehn.
Fiſcher. Wie? Ohne Muſik? Ohne Muſik,
Freund, iſt dergleichen abgeſchmackt, denn ich ver-
ſichre Sie, Liebſter, Beſter, nur durch dieſe himm-
liſche Kunſt bringen wir alle die Dummheiten hin-
unter. Ei was, genau genommen ſind wir uͤber
Fratzen und Aberglauben weg; die Aufklaͤrung hat
ihre Fruͤchte getragen, wie ſichs gehoͤrt.
Muͤller. So iſt es wohl ein ordentliches
Familiengemaͤhlde, und nur ein Spaß, gleichſam
ein einladender Scherz mit dem Kater, nur eine
Veranlaſſung, wenn ich ſo ſagen darf, oder ein
bizarrer Titel, Zuſchauer anzulocken.
Schloſſer. Wenn ich meine rechte Mei-
nung ſagen ſoll, ſo halte ich das Ganze fuͤr einen
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[148/0157] Zweite Abtheilung. Schloſſer. Iſt es denn vielleicht eine Oper? Fiſcher. Nichts weniger, auf dem Komoͤ- dienzettel ſteht: ein Kindermaͤhrchen. Schloſſer. Ein Kindermaͤhrchen? Aber ums Himmels Willen, ſind wir denn Kinder, daß man uns ſolche Stuͤcke auffuͤhren will? Es wird doch wohl nun und nimmermehr ein ordentlicher Kater aufs Theater kommen? Fiſcher. Wie ich es mir zuſammen reime, ſo iſt es eine Nachahmung der neuen Arkadier, und es kommt ein verruchter Boͤſewicht, ein kater- artiges Ungeheuer vor, mit dem es faſt ſolche Be- wandniß, wie mit dem Tarkaleon hat, nur daß er etwa ſtatt roth ums Maul, ſchwaͤrzlich gefaͤrbt iſt. Muͤller. Das waͤre nun nicht uͤbel, denn ich habe ſchon laͤngſt gewuͤnſcht, eine ſolche recht wunderbare Oper einmal ohne Muſik zu ſehn. Fiſcher. Wie? Ohne Muſik? Ohne Muſik, Freund, iſt dergleichen abgeſchmackt, denn ich ver- ſichre Sie, Liebſter, Beſter, nur durch dieſe himm- liſche Kunſt bringen wir alle die Dummheiten hin- unter. Ei was, genau genommen ſind wir uͤber Fratzen und Aberglauben weg; die Aufklaͤrung hat ihre Fruͤchte getragen, wie ſichs gehoͤrt. Muͤller. So iſt es wohl ein ordentliches Familiengemaͤhlde, und nur ein Spaß, gleichſam ein einladender Scherz mit dem Kater, nur eine Veranlaſſung, wenn ich ſo ſagen darf, oder ein bizarrer Titel, Zuſchauer anzulocken. Schloſſer. Wenn ich meine rechte Mei- nung ſagen ſoll, ſo halte ich das Ganze fuͤr einen

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/157>, abgerufen am 19.04.2024.