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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
Neugier zu erhalten, aber es bringt doch unser
eins um alle Nahrung.

Anne tritt auf.
Anne. Ihr seid so verdrüßlich, Vater.
Wirth. Ja, mein Kind, ich bin mit meinem
Stande sehr unzufrieden.
Anne. Wünscht Ihr denn etwas Vornehme-
res zu seyn?
Wirth. Das gerade nicht, aber es ärgert
mich unbeschreiblich, daß nach meinem Stande
nicht die mindeste Nachfrage geschieht.
Anne. Ihr werdet gewiß mit der Zeit in
die vorige Achtung kommen.
Wirth. Nein, liebe Tochter, denn die Zeiten
lassen sich sehr schlecht dazu an. O daß ich nicht
ein Hofrath geworden bin! Sieh fast alle jetzigen
Comödienzettel nach, und immer steht unten: die
Scene ist im Hause des Hofraths. -- Wenn es
länger so fortgeht, lasse ich mich zum Kerkermeister
machen, denn die Gefängnisse kommen doch noch
in vaterländischen und Ritterstücken vor. -- Aber
mein Sohn soll durchaus nichts anders als Hof-
rath werden.
Anne. Tröstet Euch lieber Vater, und hängt
Eurer Melankolie nicht so nach. -- Wie war es
doch damals, als der Waltron erschien? Wißt Ihr
noch, wie zu jener Zeit manche Schauspiele fast
nur aus Gewehr-Präsentiren, Salutiren, Trom-
melschlag, Reveille und Schießen bestanden? Ei-
nen andern Menschen als Soldaten wurde man
Zweite Abtheilung.
Neugier zu erhalten, aber es bringt doch unſer
eins um alle Nahrung.

Anne tritt auf.
Anne. Ihr ſeid ſo verdruͤßlich, Vater.
Wirth. Ja, mein Kind, ich bin mit meinem
Stande ſehr unzufrieden.
Anne. Wuͤnſcht Ihr denn etwas Vornehme-
res zu ſeyn?
Wirth. Das gerade nicht, aber es aͤrgert
mich unbeſchreiblich, daß nach meinem Stande
nicht die mindeſte Nachfrage geſchieht.
Anne. Ihr werdet gewiß mit der Zeit in
die vorige Achtung kommen.
Wirth. Nein, liebe Tochter, denn die Zeiten
laſſen ſich ſehr ſchlecht dazu an. O daß ich nicht
ein Hofrath geworden bin! Sieh faſt alle jetzigen
Comoͤdienzettel nach, und immer ſteht unten: die
Scene iſt im Hauſe des Hofraths. — Wenn es
laͤnger ſo fortgeht, laſſe ich mich zum Kerkermeiſter
machen, denn die Gefaͤngniſſe kommen doch noch
in vaterlaͤndiſchen und Ritterſtuͤcken vor. — Aber
mein Sohn ſoll durchaus nichts anders als Hof-
rath werden.
Anne. Troͤſtet Euch lieber Vater, und haͤngt
Eurer Melankolie nicht ſo nach. — Wie war es
doch damals, als der Waltron erſchien? Wißt Ihr
noch, wie zu jener Zeit manche Schauſpiele faſt
nur aus Gewehr-Praͤſentiren, Salutiren, Trom-
melſchlag, Reveille und Schießen beſtanden? Ei-
nen andern Menſchen als Soldaten wurde man
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[286/0295] Zweite Abtheilung. Neugier zu erhalten, aber es bringt doch unſer eins um alle Nahrung. Anne tritt auf. Anne. Ihr ſeid ſo verdruͤßlich, Vater. Wirth. Ja, mein Kind, ich bin mit meinem Stande ſehr unzufrieden. Anne. Wuͤnſcht Ihr denn etwas Vornehme- res zu ſeyn? Wirth. Das gerade nicht, aber es aͤrgert mich unbeſchreiblich, daß nach meinem Stande nicht die mindeſte Nachfrage geſchieht. Anne. Ihr werdet gewiß mit der Zeit in die vorige Achtung kommen. Wirth. Nein, liebe Tochter, denn die Zeiten laſſen ſich ſehr ſchlecht dazu an. O daß ich nicht ein Hofrath geworden bin! Sieh faſt alle jetzigen Comoͤdienzettel nach, und immer ſteht unten: die Scene iſt im Hauſe des Hofraths. — Wenn es laͤnger ſo fortgeht, laſſe ich mich zum Kerkermeiſter machen, denn die Gefaͤngniſſe kommen doch noch in vaterlaͤndiſchen und Ritterſtuͤcken vor. — Aber mein Sohn ſoll durchaus nichts anders als Hof- rath werden. Anne. Troͤſtet Euch lieber Vater, und haͤngt Eurer Melankolie nicht ſo nach. — Wie war es doch damals, als der Waltron erſchien? Wißt Ihr noch, wie zu jener Zeit manche Schauſpiele faſt nur aus Gewehr-Praͤſentiren, Salutiren, Trom- melſchlag, Reveille und Schießen beſtanden? Ei- nen andern Menſchen als Soldaten wurde man

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/295>, abgerufen am 19.04.2024.