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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
Semmelziege. Soll ich hier verschmachten
im vollen Glück? Könnte man mein vergessen?
Edelste der Frauen, wo sind Sie?

Malwina mit den Kindern und einem Kästchen.
Malwina. Kommen Sie schnell, schnell,
Hofrath, daß wir uns zur Residenz begeben.
Semmelziege. Ich kann nicht, Treffliche,
menn Sie nicht die Leiter ansetzen, der Sprung
ist zu hoch.
Malwina. (setzt die Leiter an). Steigen Sie
herunter, nur nehmen Sie sich in Acht, daß Sie
nicht in den Ententeich fallen.
Semmelziege (steigt herab). Da bin ich. O
willkommen, Du goldne Himmelstochter, Freiheit!
Malwina. Eilen wir (sie gehn schnell ab.)
Leidgast kommt von der andern Seite.
Leidgast. Gleich muß ich in das Haus gehn,
und meine Rache an der Frau nehmen. -- (er geht
hinein, kömmt sogleich zurück).
Sie ist nirgend. Welche
Ahndung! Ha, Semmelziege! Du, Bösewicht,
sollst es büßen, und meinen Zorn fühlen! Wer
hat die Leiter angesetzt? Wer wagt es? Ich klimm
hinauf. (er steigt hinauf und kuckt in den Taubenschlag).
Er ist nicht hier, und leer ist Haus und Tauben-
schlag!
So leb ich denn auch länger nicht zum Hohn der
Welt.
Entwich mir Alles, Frau und Kind und Stiefeln
auch,
Zweite Abtheilung.
Semmelziege. Soll ich hier verſchmachten
im vollen Gluͤck? Koͤnnte man mein vergeſſen?
Edelſte der Frauen, wo ſind Sie?

Malwina mit den Kindern und einem Kaͤſtchen.
Malwina. Kommen Sie ſchnell, ſchnell,
Hofrath, daß wir uns zur Reſidenz begeben.
Semmelziege. Ich kann nicht, Treffliche,
menn Sie nicht die Leiter anſetzen, der Sprung
iſt zu hoch.
Malwina. (ſetzt die Leiter an). Steigen Sie
herunter, nur nehmen Sie ſich in Acht, daß Sie
nicht in den Ententeich fallen.
Semmelziege (ſteigt herab). Da bin ich. O
willkommen, Du goldne Himmelstochter, Freiheit!
Malwina. Eilen wir (ſie gehn ſchnell ab.)
Leidgaſt kommt von der andern Seite.
Leidgaſt. Gleich muß ich in das Haus gehn,
und meine Rache an der Frau nehmen. — (er geht
hinein, koͤmmt ſogleich zuruͤck).
Sie iſt nirgend. Welche
Ahndung! Ha, Semmelziege! Du, Boͤſewicht,
ſollſt es buͤßen, und meinen Zorn fuͤhlen! Wer
hat die Leiter angeſetzt? Wer wagt es? Ich klimm
hinauf. (er ſteigt hinauf und kuckt in den Taubenſchlag).
Er iſt nicht hier, und leer iſt Haus und Tauben-
ſchlag!
So leb ich denn auch laͤnger nicht zum Hohn der
Welt.
Entwich mir Alles, Frau und Kind und Stiefeln
auch,
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[520/0529] Zweite Abtheilung. Semmelziege. Soll ich hier verſchmachten im vollen Gluͤck? Koͤnnte man mein vergeſſen? Edelſte der Frauen, wo ſind Sie? Malwina mit den Kindern und einem Kaͤſtchen. Malwina. Kommen Sie ſchnell, ſchnell, Hofrath, daß wir uns zur Reſidenz begeben. Semmelziege. Ich kann nicht, Treffliche, menn Sie nicht die Leiter anſetzen, der Sprung iſt zu hoch. Malwina. (ſetzt die Leiter an). Steigen Sie herunter, nur nehmen Sie ſich in Acht, daß Sie nicht in den Ententeich fallen. Semmelziege (ſteigt herab). Da bin ich. O willkommen, Du goldne Himmelstochter, Freiheit! Malwina. Eilen wir (ſie gehn ſchnell ab.) Leidgaſt kommt von der andern Seite. Leidgaſt. Gleich muß ich in das Haus gehn, und meine Rache an der Frau nehmen. — (er geht hinein, koͤmmt ſogleich zuruͤck). Sie iſt nirgend. Welche Ahndung! Ha, Semmelziege! Du, Boͤſewicht, ſollſt es buͤßen, und meinen Zorn fuͤhlen! Wer hat die Leiter angeſetzt? Wer wagt es? Ich klimm hinauf. (er ſteigt hinauf und kuckt in den Taubenſchlag). Er iſt nicht hier, und leer iſt Haus und Tauben- ſchlag! So leb ich denn auch laͤnger nicht zum Hohn der Welt. Entwich mir Alles, Frau und Kind und Stiefeln auch,

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/529>, abgerufen am 19.04.2024.