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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
So blute denn mit Freuden, Todeswunde,
Fühl' noch, o Herz, im Schmerz die lichten Blicke,
Das süße Lächeln, höre noch die Töne,
Durchdringt dich ganz im Tiefsten, welche Schöne
Aufstrahlt' im Lächeln, Klang, zum Liebesglücke,
Dann fühl' dein Elend, brich zur selben Stunde!


Was hast du mir denn, Leben, schon gegönnet,
Daß ich als Gut dich theuer sollte schätzen?
Warst du ein gierger Dolch nicht im Verletzen
Der Brust, die immerdar in Wunden brennet?
Der liebe dich, der dich noch nicht erkennet,
Wer blind unwissend lüstert deinen Schätzen:
Magst du nur Weh und Jammer auf mich hetzen,
Dein wildes Heer, das uns zum Grab nachrennet.
So kann ich auch als argen Feind dich hassen;
Nur nicht mehr täusche mit holdselgen Mienen,
Zeig mir dein Furien-Antlitz, Haar von Schlangen!
Davor wird nie mein starkes Herz erbangen,
Doch daß du mir als Liebe bist erschienen,
Den Trost, Schmerz, Trug, weiß ich noch nicht zu
nennen.


Sie trennten sich schnell, und Clara konnte
ihr Gesicht beim Abschied nicht so eilig verber-
gen, daß Anton nicht eine Thräne in ihrem
Auge wahrgenommen hätte.


Zweite Abtheilung.
So blute denn mit Freuden, Todeswunde,
Fuͤhl' noch, o Herz, im Schmerz die lichten Blicke,
Das ſuͤße Laͤcheln, hoͤre noch die Toͤne,
Durchdringt dich ganz im Tiefſten, welche Schoͤne
Aufſtrahlt' im Laͤcheln, Klang, zum Liebesgluͤcke,
Dann fuͤhl' dein Elend, brich zur ſelben Stunde!


Was haſt du mir denn, Leben, ſchon gegoͤnnet,
Daß ich als Gut dich theuer ſollte ſchaͤtzen?
Warſt du ein gierger Dolch nicht im Verletzen
Der Bruſt, die immerdar in Wunden brennet?
Der liebe dich, der dich noch nicht erkennet,
Wer blind unwiſſend luͤſtert deinen Schaͤtzen:
Magſt du nur Weh und Jammer auf mich hetzen,
Dein wildes Heer, das uns zum Grab nachrennet.
So kann ich auch als argen Feind dich haſſen;
Nur nicht mehr taͤuſche mit holdſelgen Mienen,
Zeig mir dein Furien-Antlitz, Haar von Schlangen!
Davor wird nie mein ſtarkes Herz erbangen,
Doch daß du mir als Liebe biſt erſchienen,
Den Troſt, Schmerz, Trug, weiß ich noch nicht zu
nennen.


Sie trennten ſich ſchnell, und Clara konnte
ihr Geſicht beim Abſchied nicht ſo eilig verber-
gen, daß Anton nicht eine Thraͤne in ihrem
Auge wahrgenommen haͤtte.


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[555/0564] Zweite Abtheilung. So blute denn mit Freuden, Todeswunde, Fuͤhl' noch, o Herz, im Schmerz die lichten Blicke, Das ſuͤße Laͤcheln, hoͤre noch die Toͤne, Durchdringt dich ganz im Tiefſten, welche Schoͤne Aufſtrahlt' im Laͤcheln, Klang, zum Liebesgluͤcke, Dann fuͤhl' dein Elend, brich zur ſelben Stunde! Was haſt du mir denn, Leben, ſchon gegoͤnnet, Daß ich als Gut dich theuer ſollte ſchaͤtzen? Warſt du ein gierger Dolch nicht im Verletzen Der Bruſt, die immerdar in Wunden brennet? Der liebe dich, der dich noch nicht erkennet, Wer blind unwiſſend luͤſtert deinen Schaͤtzen: Magſt du nur Weh und Jammer auf mich hetzen, Dein wildes Heer, das uns zum Grab nachrennet. So kann ich auch als argen Feind dich haſſen; Nur nicht mehr taͤuſche mit holdſelgen Mienen, Zeig mir dein Furien-Antlitz, Haar von Schlangen! Davor wird nie mein ſtarkes Herz erbangen, Doch daß du mir als Liebe biſt erſchienen, Den Troſt, Schmerz, Trug, weiß ich noch nicht zu nennen. Sie trennten ſich ſchnell, und Clara konnte ihr Geſicht beim Abſchied nicht ſo eilig verber- gen, daß Anton nicht eine Thraͤne in ihrem Auge wahrgenommen haͤtte.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/564>, abgerufen am 19.04.2024.