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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Der Blaubart.
an. -- Fällt dir wirklich nichts dabei ein? Kriegst
du kein Mißtrauen gegen ihn? Wendet sich dir
das Herz nicht um?
Anton. Possen.
Simon. Und dann hat er mehrere Frauen ge-
habt, und sie sind immer sehr schnell wieder gestorben.
Anton. Aber Agnes kann ihn überleben;
er ist reich, er hat mehrere Schlösser, viel Gold
und Juwelen, sie ist gut bei ihm versorgt.
Simon. Nun, wenn sie selber will, so
mags darum seyn. -- Aber ich habe in dieser Nacht
einen wunderbaren Traum gehabt; wenn du gedul-
dig seyn willst, so will ich ihn Dir erzählen.
Anton. Sprich nur.
Simon. Wie es geschah, weiß ich nicht,
aber ich ward im Schlafe sehr bedrängt und ge-
ängstigt, darüber griff ich endlich nach meinem
Schwerdte, um mir Ruhe zu verschaffen. Ich
lief wüthend herum, und traf auf den Ritter
Hugo; er war mir noch mehr zuwider als sonst,
und ohne daß ich mir bewußt war, wie es so weit
kam, hatt ich ihn bei der Schulter ergriffen, und
stieß ihm mit großer Herzensangst das Schwerdt
durch die Brust, er fiel auf den Boden und ich
war ruhig. -- Das Seltsamste ist, daß ich nun
seit dem Erwachen unaufhörlich an diesen Traum
denke, und ich muß es dir gestehn, Bruder, so
wie ich den Ritter vor mir sehe, wandelt mich eine
unbeschreibliche Lust an, ihm mit dem Schwerdte
eins zu versetzen; ich kann mich dann kaum halten,
ich denke es mir sogleich als das größte Vergnü-
Der Blaubart.
an. — Faͤllt dir wirklich nichts dabei ein? Kriegſt
du kein Mißtrauen gegen ihn? Wendet ſich dir
das Herz nicht um?
Anton. Poſſen.
Simon. Und dann hat er mehrere Frauen ge-
habt, und ſie ſind immer ſehr ſchnell wieder geſtorben.
Anton. Aber Agnes kann ihn uͤberleben;
er iſt reich, er hat mehrere Schloͤſſer, viel Gold
und Juwelen, ſie iſt gut bei ihm verſorgt.
Simon. Nun, wenn ſie ſelber will, ſo
mags darum ſeyn. — Aber ich habe in dieſer Nacht
einen wunderbaren Traum gehabt; wenn du gedul-
dig ſeyn willſt, ſo will ich ihn Dir erzaͤhlen.
Anton. Sprich nur.
Simon. Wie es geſchah, weiß ich nicht,
aber ich ward im Schlafe ſehr bedraͤngt und ge-
aͤngſtigt, daruͤber griff ich endlich nach meinem
Schwerdte, um mir Ruhe zu verſchaffen. Ich
lief wuͤthend herum, und traf auf den Ritter
Hugo; er war mir noch mehr zuwider als ſonſt,
und ohne daß ich mir bewußt war, wie es ſo weit
kam, hatt ich ihn bei der Schulter ergriffen, und
ſtieß ihm mit großer Herzensangſt das Schwerdt
durch die Bruſt, er fiel auf den Boden und ich
war ruhig. — Das Seltſamſte iſt, daß ich nun
ſeit dem Erwachen unaufhoͤrlich an dieſen Traum
denke, und ich muß es dir geſtehn, Bruder, ſo
wie ich den Ritter vor mir ſehe, wandelt mich eine
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eins zu verſetzen; ich kann mich dann kaum halten,
ich denke es mir ſogleich als das groͤßte Vergnuͤ-
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[63/0072] Der Blaubart. an. — Faͤllt dir wirklich nichts dabei ein? Kriegſt du kein Mißtrauen gegen ihn? Wendet ſich dir das Herz nicht um? Anton. Poſſen. Simon. Und dann hat er mehrere Frauen ge- habt, und ſie ſind immer ſehr ſchnell wieder geſtorben. Anton. Aber Agnes kann ihn uͤberleben; er iſt reich, er hat mehrere Schloͤſſer, viel Gold und Juwelen, ſie iſt gut bei ihm verſorgt. Simon. Nun, wenn ſie ſelber will, ſo mags darum ſeyn. — Aber ich habe in dieſer Nacht einen wunderbaren Traum gehabt; wenn du gedul- dig ſeyn willſt, ſo will ich ihn Dir erzaͤhlen. Anton. Sprich nur. Simon. Wie es geſchah, weiß ich nicht, aber ich ward im Schlafe ſehr bedraͤngt und ge- aͤngſtigt, daruͤber griff ich endlich nach meinem Schwerdte, um mir Ruhe zu verſchaffen. Ich lief wuͤthend herum, und traf auf den Ritter Hugo; er war mir noch mehr zuwider als ſonſt, und ohne daß ich mir bewußt war, wie es ſo weit kam, hatt ich ihn bei der Schulter ergriffen, und ſtieß ihm mit großer Herzensangſt das Schwerdt durch die Bruſt, er fiel auf den Boden und ich war ruhig. — Das Seltſamſte iſt, daß ich nun ſeit dem Erwachen unaufhoͤrlich an dieſen Traum denke, und ich muß es dir geſtehn, Bruder, ſo wie ich den Ritter vor mir ſehe, wandelt mich eine unbeſchreibliche Luſt an, ihm mit dem Schwerdte eins zu verſetzen; ich kann mich dann kaum halten, ich denke es mir ſogleich als das groͤßte Vergnuͤ-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/72>, abgerufen am 24.04.2024.