Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweite Abtheilung.
Der ihn verfolgte, der es wagen dürfte.
Vielleicht kehrt er zurück. -- Doch wer erschlug
Den Diener ihm? -- Laß uns zum Garten gehn,
Auch will ich aus noch neue Bothen senden.

(sie gehn ab.)


Siebente Scene.
(Gefängniß)


Andalosia. allein.
Wo bin ich? Wie bin ich hieher gekommen?
Ich seh' mich zwischen diesen feuchten Wänden
Und finde mich und das Verständniß nicht.
Wer ists, der mich verfolgt? Und, wenn ein Feind,
Warum nicht Tod, wie meinem Diener, dort?
Ein Irrthum? Oder Plan? Wozu? Ich finde
Aus diesem Labyrinth den Ausgang nicht. --
Es wirft das Schicksal, glaub' ich, mich hieher,
Das Daseyn kärglich nur mit Nahrung fristend,
Der Stunden Wechsel nur an der Gedanken
Fortgang ermessend, um den Blick ins Innre
Des tief verdorbnen Herzens mir zu richten,
Daß ich hier lerne, was das Leben sey.
Wie hab' ich meine Zeit, wie meinen Geist,
Wie allen Reichthum, den das Glück mir gönnte,
In sündenvoller Eitelkeit vergeudet!
Wem hat mein Daseyn fruchtend wohlgethan?
War mein Erglänzen mehr als kalte Pracht
Des heitern Wintertages, der in Zacken
Gefrornen Eises blitzt in Baum und Strauch,
Liebäugelnd mit der starren todten Erde,
Zweite Abtheilung.
Der ihn verfolgte, der es wagen duͤrfte.
Vielleicht kehrt er zuruͤck. — Doch wer erſchlug
Den Diener ihm? — Laß uns zum Garten gehn,
Auch will ich aus noch neue Bothen ſenden.

(ſie gehn ab.)


Siebente Scene.
(Gefaͤngniß)


Andaloſia. allein.
Wo bin ich? Wie bin ich hieher gekommen?
Ich ſeh' mich zwiſchen dieſen feuchten Waͤnden
Und finde mich und das Verſtaͤndniß nicht.
Wer iſts, der mich verfolgt? Und, wenn ein Feind,
Warum nicht Tod, wie meinem Diener, dort?
Ein Irrthum? Oder Plan? Wozu? Ich finde
Aus dieſem Labyrinth den Ausgang nicht. —
Es wirft das Schickſal, glaub' ich, mich hieher,
Das Daſeyn kaͤrglich nur mit Nahrung friſtend,
Der Stunden Wechſel nur an der Gedanken
Fortgang ermeſſend, um den Blick ins Innre
Des tief verdorbnen Herzens mir zu richten,
Daß ich hier lerne, was das Leben ſey.
Wie hab' ich meine Zeit, wie meinen Geiſt,
Wie allen Reichthum, den das Gluͤck mir goͤnnte,
In ſuͤndenvoller Eitelkeit vergeudet!
Wem hat mein Daſeyn fruchtend wohlgethan?
War mein Erglaͤnzen mehr als kalte Pracht
Des heitern Wintertages, der in Zacken
Gefrornen Eiſes blitzt in Baum und Strauch,
Liebaͤugelnd mit der ſtarren todten Erde,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <sp who="#Ko&#x0364;nig">
                <p><pb facs="#f0488" n="478"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
Der ihn verfolgte, der es wagen du&#x0364;rfte.<lb/>
Vielleicht kehrt er zuru&#x0364;ck. &#x2014; Doch wer er&#x017F;chlug<lb/>
Den Diener ihm? &#x2014; Laß uns zum Garten gehn,<lb/>
Auch will ich aus noch neue Bothen &#x017F;enden.</p><lb/>
                <stage> <hi rendition="#et">(&#x017F;ie gehn ab.)</hi> </stage>
              </sp>
            </div><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Siebente Scene</hi>.</hi> </head><lb/>
              <stage> <hi rendition="#c">(<hi rendition="#g">Gefa&#x0364;ngniß</hi>)</hi> </stage><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
              <sp who="#Andalo&#x017F;ia">
                <speaker><hi rendition="#g">Andalo&#x017F;ia</hi>.</speaker>
                <stage>allein.</stage><lb/>
                <p>Wo bin ich? Wie bin ich hieher gekommen?<lb/>
Ich &#x017F;eh' mich zwi&#x017F;chen die&#x017F;en feuchten Wa&#x0364;nden<lb/>
Und finde mich und das Ver&#x017F;ta&#x0364;ndniß nicht.<lb/>
Wer i&#x017F;ts, der mich verfolgt? Und, wenn ein Feind,<lb/>
Warum nicht Tod, wie meinem Diener, dort?<lb/>
Ein Irrthum? Oder Plan? Wozu? Ich finde<lb/>
Aus die&#x017F;em Labyrinth den Ausgang nicht. &#x2014;<lb/>
Es wirft das Schick&#x017F;al, glaub' ich, mich hieher,<lb/>
Das Da&#x017F;eyn ka&#x0364;rglich nur mit Nahrung fri&#x017F;tend,<lb/>
Der Stunden Wech&#x017F;el nur an der Gedanken<lb/>
Fortgang erme&#x017F;&#x017F;end, um den Blick ins Innre<lb/>
Des tief verdorbnen Herzens mir zu richten,<lb/>
Daß ich hier lerne, was das Leben &#x017F;ey.<lb/>
Wie hab' ich meine Zeit, wie meinen Gei&#x017F;t,<lb/>
Wie allen Reichthum, den das Glu&#x0364;ck mir go&#x0364;nnte,<lb/>
In &#x017F;u&#x0364;ndenvoller Eitelkeit vergeudet!<lb/>
Wem hat mein Da&#x017F;eyn fruchtend wohlgethan?<lb/>
War mein Ergla&#x0364;nzen mehr als kalte Pracht<lb/>
Des heitern Wintertages, der in Zacken<lb/>
Gefrornen Ei&#x017F;es blitzt in Baum und Strauch,<lb/>
Lieba&#x0364;ugelnd mit der &#x017F;tarren todten Erde,<lb/></p>
              </sp>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[478/0488] Zweite Abtheilung. Der ihn verfolgte, der es wagen duͤrfte. Vielleicht kehrt er zuruͤck. — Doch wer erſchlug Den Diener ihm? — Laß uns zum Garten gehn, Auch will ich aus noch neue Bothen ſenden. (ſie gehn ab.) Siebente Scene. (Gefaͤngniß) Andaloſia. allein. Wo bin ich? Wie bin ich hieher gekommen? Ich ſeh' mich zwiſchen dieſen feuchten Waͤnden Und finde mich und das Verſtaͤndniß nicht. Wer iſts, der mich verfolgt? Und, wenn ein Feind, Warum nicht Tod, wie meinem Diener, dort? Ein Irrthum? Oder Plan? Wozu? Ich finde Aus dieſem Labyrinth den Ausgang nicht. — Es wirft das Schickſal, glaub' ich, mich hieher, Das Daſeyn kaͤrglich nur mit Nahrung friſtend, Der Stunden Wechſel nur an der Gedanken Fortgang ermeſſend, um den Blick ins Innre Des tief verdorbnen Herzens mir zu richten, Daß ich hier lerne, was das Leben ſey. Wie hab' ich meine Zeit, wie meinen Geiſt, Wie allen Reichthum, den das Gluͤck mir goͤnnte, In ſuͤndenvoller Eitelkeit vergeudet! Wem hat mein Daſeyn fruchtend wohlgethan? War mein Erglaͤnzen mehr als kalte Pracht Des heitern Wintertages, der in Zacken Gefrornen Eiſes blitzt in Baum und Strauch, Liebaͤugelnd mit der ſtarren todten Erde,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/488
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/488>, abgerufen am 16.04.2024.