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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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der, und er merkte es immer, daß er ihnen
zu lebhaft, zu jugendlich war, daß er sich
gemeiniglich an Dingen entzückte, die jenen
immer fremd geblieben, und daß sie doch
zuweilen mit einem gewissen Mitleiden, mit
einer tyrannisirenden Duldung auf ihn hin¬
abblickten, als wenn er endlich allen diesen
Gefühlen und Stürmen vorüberschiffen mü߬
te, um in ihr ruhiges kaltes Land fe[s][t]en
Fuß zu fassen. Vollends demüthigte es ihn
oft, wenn sie dieselben Gegenstände liebten,
die er verehrte; Lob und Tadel, Anpreisung
und Nachsicht aber mit so scheinbarer Ge¬
rechtigkeit austheilten, daß von ihrer Liebe
fast gar nichts übrig blieb. Er dagegen
war gewohnt aus vollem Herzen zu zahlen,
seine Liebe nicht zu messen und einzuschrän¬
ken, sondern es zu dulden, daß sie sich in
vollen Strömen durch das gelobte Land der
Kunst, sein Land der Verheißung, ergoß; je

der, und er merkte es immer, daß er ihnen
zu lebhaft, zu jugendlich war, daß er ſich
gemeiniglich an Dingen entzückte, die jenen
immer fremd geblieben, und daß ſie doch
zuweilen mit einem gewiſſen Mitleiden, mit
einer tyranniſirenden Duldung auf ihn hin¬
abblickten, als wenn er endlich allen dieſen
Gefühlen und Stürmen vorüberſchiffen mü߬
te, um in ihr ruhiges kaltes Land fe[ſ][t]en
Fuß zu faſſen. Vollends demüthigte es ihn
oft, wenn ſie dieſelben Gegenſtände liebten,
die er verehrte; Lob und Tadel, Anpreiſung
und Nachſicht aber mit ſo ſcheinbarer Ge¬
rechtigkeit austheilten, daß von ihrer Liebe
faſt gar nichts übrig blieb. Er dagegen
war gewohnt aus vollem Herzen zu zahlen,
ſeine Liebe nicht zu meſſen und einzuſchrän¬
ken, ſondern es zu dulden, daß ſie ſich in
vollen Strömen durch das gelobte Land der
Kunſt, ſein Land der Verheißung, ergoß; je

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[266/0277] der, und er merkte es immer, daß er ihnen zu lebhaft, zu jugendlich war, daß er ſich gemeiniglich an Dingen entzückte, die jenen immer fremd geblieben, und daß ſie doch zuweilen mit einem gewiſſen Mitleiden, mit einer tyranniſirenden Duldung auf ihn hin¬ abblickten, als wenn er endlich allen dieſen Gefühlen und Stürmen vorüberſchiffen mü߬ te, um in ihr ruhiges kaltes Land feſten Fuß zu faſſen. Vollends demüthigte es ihn oft, wenn ſie dieſelben Gegenſtände liebten, die er verehrte; Lob und Tadel, Anpreiſung und Nachſicht aber mit ſo ſcheinbarer Ge¬ rechtigkeit austheilten, daß von ihrer Liebe faſt gar nichts übrig blieb. Er dagegen war gewohnt aus vollem Herzen zu zahlen, ſeine Liebe nicht zu meſſen und einzuſchrän¬ ken, ſondern es zu dulden, daß ſie ſich in vollen Strömen durch das gelobte Land der Kunſt, ſein Land der Verheißung, ergoß; je

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/277>, abgerufen am 29.03.2024.