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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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"was mich innerlich mit unwiderstehlicher
"Gewalt beherrschte. Aber kaum habe ich
"nun die Stadt, diese Mauern, und die
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"bin; mein Sinn ist gänzlich verwirrt.
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"geschmackt, sie kommen mir so vor, als
"wenn sie sich nie wirklich fügen würden,
"als wenn kein Auge daran Wohlgefallen
"finden könnte. Mein Brief verdrießt mich;
"mein Stolz ist beschämt. -- Was ist es,
"Sebastian, warum kann ich nicht mit mir
"einig werden? Ich meine es doch so gut
"und ehrlich. -- Lebe wohl und bleibe immer
"mein Freund und grüße Meister Albrecht.


«was mich innerlich mit unwiderſtehlicher
«Gewalt beherrſchte. Aber kaum habe ich
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«Sebaſtian, warum kann ich nicht mit mir
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[53/0064] «was mich innerlich mit unwiderſtehlicher «Gewalt beherrſchte. Aber kaum habe ich «nun die Stadt, dieſe Mauern, und die «Ämſigkeit der Menſchen geſehen, ſo iſt al¬ «les in meinem Gemüthe wieder wie zuge¬ «ſchüttet, ich kann die Plätze meiner Freu¬ «de nicht wiederfinden, keine Erſcheinung «ſteigt auf. Ich weiß nicht mehr, was ich «bin; mein Sinn iſt gänzlich verwirrt. «Mein Zutrauen zu mir ſcheint mir Raſe¬ «rey, meine inwendigen Bilder ſind mir ab¬ «geſchmackt, ſie kommen mir ſo vor, als «wenn ſie ſich nie wirklich fügen würden, «als wenn kein Auge daran Wohlgefallen «finden könnte. Mein Brief verdrießt mich; «mein Stolz iſt beſchämt. — Was iſt es, «Sebaſtian, warum kann ich nicht mit mir «einig werden? Ich meine es doch ſo gut «und ehrlich. — Lebe wohl und bleibe immer «mein Freund und grüße Meiſter Albrecht.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/64>, abgerufen am 19.04.2024.