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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.

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ERSTER ABSCHNITT.
THEORIE DER GEMEINSCHAFT.

§ 1.

Die Theorie der Gemeinschaft geht solchen Be-
stimmungen gemäss von der vollkommenen Einheit mensch-
licher Willen als einem ursprünglichen oder natürlichen Zu-
stande aus, welcher trotz der empirischen Trennung und durch
dieselbe hindurch, sich erhalte, je nach der nothwendigen
und gegebenen Beschaffenheit der Verhältnisse zwischen ver-
schieden bedingten
Individuen mannigfach gestaltet. Die
allgemeine Wurzel dieser Verhältnisse ist der Zusammenhang
des vegetativen Lebens durch die Geburt; die Thatsache, dass
menschliche Willen, insofern als jeder einer leiblichen Con-
stitution entspricht, durch Abstammung und Geschlecht
mit einander verbunden sind und bleiben, oder nothwendiger
Weise werden; welche Verbundenheit als unmittelbare gegen-
seitige Bejahung in der am meisten energischen Weise sich
darstellt durch drei Arten von Verhältnissen; nämlich 1)
durch das Verhältniss zwischen einer Mutter und ihrem Kinde;
2) durch das Verhältniss zwischen Mann und Weib als Gatten,
wie dieser Begriff im natürlichen oder allgemein-animalischen
Sinne zu verstehen ist; 3) zwischen den als Geschwister, d. i.

ERSTER ABSCHNITT.
THEORIE DER GEMEINSCHAFT.

§ 1.

Die Theorie der Gemeinschaft geht solchen Be-
stimmungen gemäss von der vollkommenen Einheit mensch-
licher Willen als einem ursprünglichen oder natürlichen Zu-
stande aus, welcher trotz der empirischen Trennung und durch
dieselbe hindurch, sich erhalte, je nach der nothwendigen
und gegebenen Beschaffenheit der Verhältnisse zwischen ver-
schieden bedingten
Individuen mannigfach gestaltet. Die
allgemeine Wurzel dieser Verhältnisse ist der Zusammenhang
des vegetativen Lebens durch die Geburt; die Thatsache, dass
menschliche Willen, insofern als jeder einer leiblichen Con-
stitution entspricht, durch Abstammung und Geschlecht
mit einander verbunden sind und bleiben, oder nothwendiger
Weise werden; welche Verbundenheit als unmittelbare gegen-
seitige Bejahung in der am meisten energischen Weise sich
darstellt durch drei Arten von Verhältnissen; nämlich 1)
durch das Verhältniss zwischen einer Mutter und ihrem Kinde;
2) durch das Verhältniss zwischen Mann und Weib als Gatten,
wie dieser Begriff im natürlichen oder allgemein-animalischen
Sinne zu verstehen ist; 3) zwischen den als Geschwister, d. i.

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[[9]/0045] ERSTER ABSCHNITT. THEORIE DER GEMEINSCHAFT. § 1. Die Theorie der Gemeinschaft geht solchen Be- stimmungen gemäss von der vollkommenen Einheit mensch- licher Willen als einem ursprünglichen oder natürlichen Zu- stande aus, welcher trotz der empirischen Trennung und durch dieselbe hindurch, sich erhalte, je nach der nothwendigen und gegebenen Beschaffenheit der Verhältnisse zwischen ver- schieden bedingten Individuen mannigfach gestaltet. Die allgemeine Wurzel dieser Verhältnisse ist der Zusammenhang des vegetativen Lebens durch die Geburt; die Thatsache, dass menschliche Willen, insofern als jeder einer leiblichen Con- stitution entspricht, durch Abstammung und Geschlecht mit einander verbunden sind und bleiben, oder nothwendiger Weise werden; welche Verbundenheit als unmittelbare gegen- seitige Bejahung in der am meisten energischen Weise sich darstellt durch drei Arten von Verhältnissen; nämlich 1) durch das Verhältniss zwischen einer Mutter und ihrem Kinde; 2) durch das Verhältniss zwischen Mann und Weib als Gatten, wie dieser Begriff im natürlichen oder allgemein-animalischen Sinne zu verstehen ist; 3) zwischen den als Geschwister, d. i.

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Zitationshilfe: Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. [9]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/45>, abgerufen am 20.04.2024.