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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.

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spricht es durch solchen auf verbundene Willkür allein be-
gründeten, fictiven oder imaginären Werth in zureichender
Weise. Während aber das absolute Papiergeld dasjenige
sein würde, welches Jeder nimmt für beliebige Waare, zu
gleichem Werthe (weil er gewiss ist, einen gleichen Werth
an beliebiger Waare wieder dafür zu erhalten), so gilt hin-
gegen ein "Wechsel" oder derartiges Markengeld nur, weil
und insoweit als der Empfänger sicher ist, entweder es
weiter geben zu können oder zurück an den Geber (den
Aussteller) für den Werth einer bestimmten Waare, z. B.
des Goldes. Es ist Privatgeld, für welches die Gesell-
schaft garantirt, insofern als sie die Nöthigung (Execution)
des Schuldners oder seiner "Bürgen" unterstützt. Das em-
pirische Papiergeld, ausgegeben von einer Person, welche
in einem begrenzten Gebiete die Gesellschaft selber darstellt
(wie der Staat oder seine "Bank" ist), nimmt einen mittleren
Rang ein zwischen solchem Papiergeld und dem vorgestellten
absolut-öffentlichen Gelde, für welches Niemand verant-
wortlich sein würde, weil Alle es begehren und suchen
würden, wie es in Wirklichkeit in Bezug auf das Geld als
(wie immer dargestelltes) allgemeines Kaufmittel der Fall
ist. -- Wo aber Geld gegen Credit verkauft wird, da tritt
die Wahrheit des gesellschaftlichen Verkehrs insofern am
deutlichsten zu Tage, als beide Theile nur Geld wollen und
kein anderes Bedürfniss haben. Allerdings wird die "Obli-
gation" selber, welche für empfangenes Darlehn gegeben
wird, zu einer besonderen Art von Waare, welche zu wech-
selnden Preisen von Hand zu Hand gehen kann. Aber
auch, wer sie erwirbt, um sie zu behalten und ihre Süssig-
keit zu geniessen, will nichts als periodisch fällige Geld-
summen, die "Zinsen", aus ihr herausziehen, auf welche er
einen rechtlichen Anspruch hat, wenn auch die Zurückgabe
des "Kapitals" nicht auf einen bestimmten Termin ver-
sprochen worden ist. Dann ist nämlich diese gar nicht sein
Zweck, sondern er will seine Forderung unrealisirt bewahren
als die beständige Ursache immer erneuerter Leistungen seines
Contrahenten. Nichts als Idee, dargestellt wie das absolute
Geld, durch einen Fetzen Papieres, ist sie die absolute
Waare, die Vollkommenheit der Waare: nämlich nicht ab-

spricht es durch solchen auf verbundene Willkür allein be-
gründeten, fictiven oder imaginären Werth in zureichender
Weise. Während aber das absolute Papiergeld dasjenige
sein würde, welches Jeder nimmt für beliebige Waare, zu
gleichem Werthe (weil er gewiss ist, einen gleichen Werth
an beliebiger Waare wieder dafür zu erhalten), so gilt hin-
gegen ein »Wechsel« oder derartiges Markengeld nur, weil
und insoweit als der Empfänger sicher ist, entweder es
weiter geben zu können oder zurück an den Geber (den
Aussteller) für den Werth einer bestimmten Waare, z. B.
des Goldes. Es ist Privatgeld, für welches die Gesell-
schaft garantirt, insofern als sie die Nöthigung (Execution)
des Schuldners oder seiner »Bürgen« unterstützt. Das em-
pirische Papiergeld, ausgegeben von einer Person, welche
in einem begrenzten Gebiete die Gesellschaft selber darstellt
(wie der Staat oder seine »Bank« ist), nimmt einen mittleren
Rang ein zwischen solchem Papiergeld und dem vorgestellten
absolut-öffentlichen Gelde, für welches Niemand verant-
wortlich sein würde, weil Alle es begehren und suchen
würden, wie es in Wirklichkeit in Bezug auf das Geld als
(wie immer dargestelltes) allgemeines Kaufmittel der Fall
ist. — Wo aber Geld gegen Credit verkauft wird, da tritt
die Wahrheit des gesellschaftlichen Verkehrs insofern am
deutlichsten zu Tage, als beide Theile nur Geld wollen und
kein anderes Bedürfniss haben. Allerdings wird die »Obli-
gation« selber, welche für empfangenes Darlehn gegeben
wird, zu einer besonderen Art von Waare, welche zu wech-
selnden Preisen von Hand zu Hand gehen kann. Aber
auch, wer sie erwirbt, um sie zu behalten und ihre Süssig-
keit zu geniessen, will nichts als periodisch fällige Geld-
summen, die »Zinsen«, aus ihr herausziehen, auf welche er
einen rechtlichen Anspruch hat, wenn auch die Zurückgabe
des »Kapitals« nicht auf einen bestimmten Termin ver-
sprochen worden ist. Dann ist nämlich diese gar nicht sein
Zweck, sondern er will seine Forderung unrealisirt bewahren
als die beständige Ursache immer erneuerter Leistungen seines
Contrahenten. Nichts als Idee, dargestellt wie das absolute
Geld, durch einen Fetzen Papieres, ist sie die absolute
Waare, die Vollkommenheit der Waare: nämlich nicht ab-

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[57/0093] spricht es durch solchen auf verbundene Willkür allein be- gründeten, fictiven oder imaginären Werth in zureichender Weise. Während aber das absolute Papiergeld dasjenige sein würde, welches Jeder nimmt für beliebige Waare, zu gleichem Werthe (weil er gewiss ist, einen gleichen Werth an beliebiger Waare wieder dafür zu erhalten), so gilt hin- gegen ein »Wechsel« oder derartiges Markengeld nur, weil und insoweit als der Empfänger sicher ist, entweder es weiter geben zu können oder zurück an den Geber (den Aussteller) für den Werth einer bestimmten Waare, z. B. des Goldes. Es ist Privatgeld, für welches die Gesell- schaft garantirt, insofern als sie die Nöthigung (Execution) des Schuldners oder seiner »Bürgen« unterstützt. Das em- pirische Papiergeld, ausgegeben von einer Person, welche in einem begrenzten Gebiete die Gesellschaft selber darstellt (wie der Staat oder seine »Bank« ist), nimmt einen mittleren Rang ein zwischen solchem Papiergeld und dem vorgestellten absolut-öffentlichen Gelde, für welches Niemand verant- wortlich sein würde, weil Alle es begehren und suchen würden, wie es in Wirklichkeit in Bezug auf das Geld als (wie immer dargestelltes) allgemeines Kaufmittel der Fall ist. — Wo aber Geld gegen Credit verkauft wird, da tritt die Wahrheit des gesellschaftlichen Verkehrs insofern am deutlichsten zu Tage, als beide Theile nur Geld wollen und kein anderes Bedürfniss haben. Allerdings wird die »Obli- gation« selber, welche für empfangenes Darlehn gegeben wird, zu einer besonderen Art von Waare, welche zu wech- selnden Preisen von Hand zu Hand gehen kann. Aber auch, wer sie erwirbt, um sie zu behalten und ihre Süssig- keit zu geniessen, will nichts als periodisch fällige Geld- summen, die »Zinsen«, aus ihr herausziehen, auf welche er einen rechtlichen Anspruch hat, wenn auch die Zurückgabe des »Kapitals« nicht auf einen bestimmten Termin ver- sprochen worden ist. Dann ist nämlich diese gar nicht sein Zweck, sondern er will seine Forderung unrealisirt bewahren als die beständige Ursache immer erneuerter Leistungen seines Contrahenten. Nichts als Idee, dargestellt wie das absolute Geld, durch einen Fetzen Papieres, ist sie die absolute Waare, die Vollkommenheit der Waare: nämlich nicht ab-

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Zitationshilfe: Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/93>, abgerufen am 28.03.2024.