Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

XXIII. Stimmungen der württembergischen Opposition. 1838.
komme nicht durch die Gitteröffnungen hindurch, er sei zu dick. Als ich mit Allem fertig
war, stieg ich durch die Gitter in den Kasten vorm Fenster, machte dann das Draht-
gitter über dem Kasten los und band den Strick im Kasten sitzend fest. Während der
ganzen Zeit besorgten unsere Freunde, daß fortwährend Rollwagen auf der Zeil hin
und her fuhren, die einen argen Lärm machten, damit man unsere Arbeiten nicht hören
könne. Weiter bekamen die Soldaten in der Wachtstube, ich weiß nicht unter welchem
Vorwand, so reichlich Wein zu trinken, daß sie betrunken wurden. Jetzt, als die Stunde
ausgeschlagen hatte, stieg ich aus dem Kasten auf das Gesimse und hing mich an den
Strick --, und als ich am zweiten Tag wieder zum Bewußtsein kam, sah ich mich wieder
im Gefängniß mit Kopfschmerz und Kopfwunden und einem Bruch des Schenkelhalses.
Der schlecht gemachte Strick war ganz oben gerissen und ich war auf die Straße gestürzt.
Die betrunkenen Soldaten hatten mich wahrscheinlich noch mißhandelt und hatten blind
unter die herzugelaufene Menge geschossen, Einige verwundet und einen gegenüber woh-
nenden Bürger erschossen. Nur einem von uns Studenten, ich hörte Lizius, gelang die
Flucht; die andern waren zum Theil auch herabgestürzt und alle wieder sofort einge-
fangen worden. Ich lag nun schwer krank zu Bett an Hirnerschütterung, massenhaftem
Blutbrechen etc. Der Hausarzt, Physikus Kestner, behandelte mich sehr sorgfältig; mit
Zuzug eines Chirurgen wurde mir eine Hagedorn'sche Maschine an den gebrochenen
Fuß gelegt, und ich bekam einen Krankenwärter. Am 6. Mai kam mein Bruder nach
Frankfurt, und that alle möglichen Schritte mich besuchen, oder nur von weitem sehen
zu dürfen. Das Appellationsgericht beschloß in gar nichts zu willfahren. Mein Bru-
der war umsonst gekommen. Am 13. Mai, als ich außer Gefahr war, wurde ich über
den Fluchtversuch verhört. Ich sollte sagen, woher ich die Feilen bekommen etc. -- ich
gab darauf keine Antwort; ebenso machten es die andern Wieder-Inhaftirten und die
Untersuchung ergab gar keinen Anhaltspunkt gegen unsere Freunde draußen. -- Die
Heilung des Knochenbruchs ging gut vor sich und nach zwei Monaten konnte ich auf-
stehen und Gehversuche machen. Der Bruch war geheilt mit Verkürzung des Fußes um
nur etwa einen halben Zoll, was später sich ausglich -- ohne Hinken. Das Appellations-
gericht hatte verfügt, daß den Ausgebrochenen über Nacht Ketten angelegt werden sollten,
um weitere Fluchtversuche zu verhindern. Wiederholt hatte die Untersuchungsbehörde
beim Arzt angefragt, ob mir noch nicht Ketten angelegt werden könnten. Jetzt geschah
das, ich bekam Ketten an den linken Fuß und den rechten Arm -- eine abscheuliche
Barbarei; denn ich mußte erst gehen lernen, und konnte mindestens noch ein Vierteljahr
lang nur mit Krücken gehen. Und die nächtlichen Ketten blieben so lang ich in Frank-
furt gefangen war.


XXIII. Stimmungen der württembergischen Opposition. 1838.
Zu Bd. IV. 628 f.

Die Gesinnungen der schwäbischen Liberalen zu Ende der dreißiger Jahre finden
beredten Ausdruck in einem Briefe, welchen Fr. Römer an einen seiner Geißlinger Wähler
richtete. Die Hauptstellen lauten:

Geehrter Herr! .... Ueber meine Leistungen brauche ich mich nicht besonders zu
äußern, da Sie wenigstens meine Abstimmungen und somit den Geist meiner Thätig-
keit aus den öffentlichen Blättern kennen gelernt haben werden. Ebenso wenig brauche
ich Ihnen die Versicherung zu geben, daß meine Abstimmungen stets die Frucht meiner
Ueberzeugung gewesen sind.

Ob sie auch mit den Ansichten meiner Wähler übereinstimmen? ... ich weiß es
nicht, aber ich schmeichle mir in ihrem Sinne gesprochen und gehandelt zu haben.

XXIII. Stimmungen der württembergiſchen Oppoſition. 1838.
komme nicht durch die Gitteröffnungen hindurch, er ſei zu dick. Als ich mit Allem fertig
war, ſtieg ich durch die Gitter in den Kaſten vorm Fenſter, machte dann das Draht-
gitter über dem Kaſten los und band den Strick im Kaſten ſitzend feſt. Während der
ganzen Zeit beſorgten unſere Freunde, daß fortwährend Rollwagen auf der Zeil hin
und her fuhren, die einen argen Lärm machten, damit man unſere Arbeiten nicht hören
könne. Weiter bekamen die Soldaten in der Wachtſtube, ich weiß nicht unter welchem
Vorwand, ſo reichlich Wein zu trinken, daß ſie betrunken wurden. Jetzt, als die Stunde
ausgeſchlagen hatte, ſtieg ich aus dem Kaſten auf das Geſimſe und hing mich an den
Strick —, und als ich am zweiten Tag wieder zum Bewußtſein kam, ſah ich mich wieder
im Gefängniß mit Kopfſchmerz und Kopfwunden und einem Bruch des Schenkelhalſes.
Der ſchlecht gemachte Strick war ganz oben geriſſen und ich war auf die Straße geſtürzt.
Die betrunkenen Soldaten hatten mich wahrſcheinlich noch mißhandelt und hatten blind
unter die herzugelaufene Menge geſchoſſen, Einige verwundet und einen gegenüber woh-
nenden Bürger erſchoſſen. Nur einem von uns Studenten, ich hörte Lizius, gelang die
Flucht; die andern waren zum Theil auch herabgeſtürzt und alle wieder ſofort einge-
fangen worden. Ich lag nun ſchwer krank zu Bett an Hirnerſchütterung, maſſenhaftem
Blutbrechen etc. Der Hausarzt, Phyſikus Keſtner, behandelte mich ſehr ſorgfältig; mit
Zuzug eines Chirurgen wurde mir eine Hagedorn’ſche Maſchine an den gebrochenen
Fuß gelegt, und ich bekam einen Krankenwärter. Am 6. Mai kam mein Bruder nach
Frankfurt, und that alle möglichen Schritte mich beſuchen, oder nur von weitem ſehen
zu dürfen. Das Appellationsgericht beſchloß in gar nichts zu willfahren. Mein Bru-
der war umſonſt gekommen. Am 13. Mai, als ich außer Gefahr war, wurde ich über
den Fluchtverſuch verhört. Ich ſollte ſagen, woher ich die Feilen bekommen etc. — ich
gab darauf keine Antwort; ebenſo machten es die andern Wieder-Inhaftirten und die
Unterſuchung ergab gar keinen Anhaltspunkt gegen unſere Freunde draußen. — Die
Heilung des Knochenbruchs ging gut vor ſich und nach zwei Monaten konnte ich auf-
ſtehen und Gehverſuche machen. Der Bruch war geheilt mit Verkürzung des Fußes um
nur etwa einen halben Zoll, was ſpäter ſich ausglich — ohne Hinken. Das Appellations-
gericht hatte verfügt, daß den Ausgebrochenen über Nacht Ketten angelegt werden ſollten,
um weitere Fluchtverſuche zu verhindern. Wiederholt hatte die Unterſuchungsbehörde
beim Arzt angefragt, ob mir noch nicht Ketten angelegt werden könnten. Jetzt geſchah
das, ich bekam Ketten an den linken Fuß und den rechten Arm — eine abſcheuliche
Barbarei; denn ich mußte erſt gehen lernen, und konnte mindeſtens noch ein Vierteljahr
lang nur mit Krücken gehen. Und die nächtlichen Ketten blieben ſo lang ich in Frank-
furt gefangen war.


XXIII. Stimmungen der württembergiſchen Oppoſition. 1838.
Zu Bd. IV. 628 f.

Die Geſinnungen der ſchwäbiſchen Liberalen zu Ende der dreißiger Jahre finden
beredten Ausdruck in einem Briefe, welchen Fr. Römer an einen ſeiner Geißlinger Wähler
richtete. Die Hauptſtellen lauten:

Geehrter Herr! .... Ueber meine Leiſtungen brauche ich mich nicht beſonders zu
äußern, da Sie wenigſtens meine Abſtimmungen und ſomit den Geiſt meiner Thätig-
keit aus den öffentlichen Blättern kennen gelernt haben werden. Ebenſo wenig brauche
ich Ihnen die Verſicherung zu geben, daß meine Abſtimmungen ſtets die Frucht meiner
Ueberzeugung geweſen ſind.

Ob ſie auch mit den Anſichten meiner Wähler übereinſtimmen? … ich weiß es
nicht, aber ich ſchmeichle mir in ihrem Sinne geſprochen und gehandelt zu haben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0763" n="749"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XXIII.</hi> Stimmungen der württembergi&#x017F;chen Oppo&#x017F;ition. 1838.</fw><lb/>
komme nicht durch die Gitteröffnungen hindurch, er &#x017F;ei zu dick. Als ich mit Allem fertig<lb/>
war, &#x017F;tieg ich durch die Gitter in den Ka&#x017F;ten vorm Fen&#x017F;ter, machte dann das Draht-<lb/>
gitter über dem Ka&#x017F;ten los und band den Strick im Ka&#x017F;ten &#x017F;itzend fe&#x017F;t. Während der<lb/>
ganzen Zeit be&#x017F;orgten un&#x017F;ere Freunde, daß fortwährend Rollwagen auf der Zeil hin<lb/>
und her fuhren, die einen argen Lärm machten, damit man un&#x017F;ere Arbeiten nicht hören<lb/>
könne. Weiter bekamen die Soldaten in der Wacht&#x017F;tube, ich weiß nicht unter welchem<lb/>
Vorwand, &#x017F;o reichlich Wein zu trinken, daß &#x017F;ie betrunken wurden. Jetzt, als die Stunde<lb/>
ausge&#x017F;chlagen hatte, &#x017F;tieg ich aus dem Ka&#x017F;ten auf das Ge&#x017F;im&#x017F;e und hing mich an den<lb/>
Strick &#x2014;, und als ich am zweiten Tag wieder zum Bewußt&#x017F;ein kam, &#x017F;ah ich mich wieder<lb/>
im Gefängniß mit Kopf&#x017F;chmerz und Kopfwunden und einem Bruch des Schenkelhal&#x017F;es.<lb/>
Der &#x017F;chlecht gemachte Strick war ganz oben geri&#x017F;&#x017F;en und ich war auf die Straße ge&#x017F;türzt.<lb/>
Die betrunkenen Soldaten hatten mich wahr&#x017F;cheinlich noch mißhandelt und hatten blind<lb/>
unter die herzugelaufene Menge ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en, Einige verwundet und einen gegenüber woh-<lb/>
nenden Bürger er&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en. Nur einem von uns Studenten, ich hörte Lizius, gelang die<lb/>
Flucht; die andern waren zum Theil auch herabge&#x017F;türzt und alle wieder &#x017F;ofort einge-<lb/>
fangen worden. Ich lag nun &#x017F;chwer krank zu Bett an Hirner&#x017F;chütterung, ma&#x017F;&#x017F;enhaftem<lb/>
Blutbrechen etc. Der Hausarzt, Phy&#x017F;ikus Ke&#x017F;tner, behandelte mich &#x017F;ehr &#x017F;orgfältig; mit<lb/>
Zuzug eines Chirurgen wurde mir eine Hagedorn&#x2019;&#x017F;che Ma&#x017F;chine an den gebrochenen<lb/>
Fuß gelegt, und ich bekam einen Krankenwärter. Am 6. Mai kam mein Bruder nach<lb/>
Frankfurt, und that alle möglichen Schritte mich be&#x017F;uchen, oder nur von weitem &#x017F;ehen<lb/>
zu dürfen. Das Appellationsgericht be&#x017F;chloß in gar nichts zu willfahren. Mein Bru-<lb/>
der war um&#x017F;on&#x017F;t gekommen. Am 13. Mai, als ich außer Gefahr war, wurde ich über<lb/>
den Fluchtver&#x017F;uch verhört. Ich &#x017F;ollte &#x017F;agen, woher ich die Feilen bekommen etc. &#x2014; ich<lb/>
gab darauf keine Antwort; eben&#x017F;o machten es die andern Wieder-Inhaftirten und die<lb/>
Unter&#x017F;uchung ergab gar keinen Anhaltspunkt gegen un&#x017F;ere Freunde draußen. &#x2014; Die<lb/>
Heilung des Knochenbruchs ging gut vor &#x017F;ich und nach zwei Monaten konnte ich auf-<lb/>
&#x017F;tehen und Gehver&#x017F;uche machen. Der Bruch war geheilt mit Verkürzung des Fußes um<lb/>
nur etwa einen halben Zoll, was &#x017F;päter &#x017F;ich ausglich &#x2014; ohne Hinken. Das Appellations-<lb/>
gericht hatte verfügt, daß den Ausgebrochenen über Nacht Ketten angelegt werden &#x017F;ollten,<lb/>
um weitere Fluchtver&#x017F;uche zu verhindern. Wiederholt hatte die Unter&#x017F;uchungsbehörde<lb/>
beim Arzt angefragt, ob mir noch nicht Ketten angelegt werden könnten. Jetzt ge&#x017F;chah<lb/>
das, ich bekam Ketten an den linken Fuß und den rechten Arm &#x2014; eine ab&#x017F;cheuliche<lb/>
Barbarei; denn ich mußte er&#x017F;t gehen lernen, und konnte minde&#x017F;tens noch ein Vierteljahr<lb/>
lang nur mit Krücken gehen. Und die nächtlichen Ketten blieben &#x017F;o lang ich in Frank-<lb/>
furt gefangen war.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">XXIII.</hi><hi rendition="#b">Stimmungen der württembergi&#x017F;chen Oppo&#x017F;ition. 1838.</hi><lb/>
Zu Bd. <hi rendition="#aq">IV.</hi> 628 f.</head><lb/>
          <p>Die Ge&#x017F;innungen der &#x017F;chwäbi&#x017F;chen Liberalen zu Ende der dreißiger Jahre finden<lb/>
beredten Ausdruck in einem Briefe, welchen Fr. Römer an einen &#x017F;einer Geißlinger Wähler<lb/>
richtete. Die Haupt&#x017F;tellen lauten:</p><lb/>
          <p>Geehrter Herr! .... Ueber meine Lei&#x017F;tungen brauche ich mich nicht be&#x017F;onders zu<lb/>
äußern, da Sie wenig&#x017F;tens meine Ab&#x017F;timmungen und &#x017F;omit den Gei&#x017F;t meiner Thätig-<lb/>
keit aus den öffentlichen Blättern kennen gelernt haben werden. Eben&#x017F;o wenig brauche<lb/>
ich Ihnen die Ver&#x017F;icherung zu geben, daß meine Ab&#x017F;timmungen &#x017F;tets die Frucht meiner<lb/><hi rendition="#g">Ueberzeugung</hi> gewe&#x017F;en &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>Ob &#x017F;ie auch mit den An&#x017F;ichten meiner Wähler überein&#x017F;timmen? &#x2026; ich weiß es<lb/>
nicht, aber ich &#x017F;chmeichle mir in <hi rendition="#g">ihrem</hi> Sinne ge&#x017F;prochen und gehandelt zu haben.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[749/0763] XXIII. Stimmungen der württembergiſchen Oppoſition. 1838. komme nicht durch die Gitteröffnungen hindurch, er ſei zu dick. Als ich mit Allem fertig war, ſtieg ich durch die Gitter in den Kaſten vorm Fenſter, machte dann das Draht- gitter über dem Kaſten los und band den Strick im Kaſten ſitzend feſt. Während der ganzen Zeit beſorgten unſere Freunde, daß fortwährend Rollwagen auf der Zeil hin und her fuhren, die einen argen Lärm machten, damit man unſere Arbeiten nicht hören könne. Weiter bekamen die Soldaten in der Wachtſtube, ich weiß nicht unter welchem Vorwand, ſo reichlich Wein zu trinken, daß ſie betrunken wurden. Jetzt, als die Stunde ausgeſchlagen hatte, ſtieg ich aus dem Kaſten auf das Geſimſe und hing mich an den Strick —, und als ich am zweiten Tag wieder zum Bewußtſein kam, ſah ich mich wieder im Gefängniß mit Kopfſchmerz und Kopfwunden und einem Bruch des Schenkelhalſes. Der ſchlecht gemachte Strick war ganz oben geriſſen und ich war auf die Straße geſtürzt. Die betrunkenen Soldaten hatten mich wahrſcheinlich noch mißhandelt und hatten blind unter die herzugelaufene Menge geſchoſſen, Einige verwundet und einen gegenüber woh- nenden Bürger erſchoſſen. Nur einem von uns Studenten, ich hörte Lizius, gelang die Flucht; die andern waren zum Theil auch herabgeſtürzt und alle wieder ſofort einge- fangen worden. Ich lag nun ſchwer krank zu Bett an Hirnerſchütterung, maſſenhaftem Blutbrechen etc. Der Hausarzt, Phyſikus Keſtner, behandelte mich ſehr ſorgfältig; mit Zuzug eines Chirurgen wurde mir eine Hagedorn’ſche Maſchine an den gebrochenen Fuß gelegt, und ich bekam einen Krankenwärter. Am 6. Mai kam mein Bruder nach Frankfurt, und that alle möglichen Schritte mich beſuchen, oder nur von weitem ſehen zu dürfen. Das Appellationsgericht beſchloß in gar nichts zu willfahren. Mein Bru- der war umſonſt gekommen. Am 13. Mai, als ich außer Gefahr war, wurde ich über den Fluchtverſuch verhört. Ich ſollte ſagen, woher ich die Feilen bekommen etc. — ich gab darauf keine Antwort; ebenſo machten es die andern Wieder-Inhaftirten und die Unterſuchung ergab gar keinen Anhaltspunkt gegen unſere Freunde draußen. — Die Heilung des Knochenbruchs ging gut vor ſich und nach zwei Monaten konnte ich auf- ſtehen und Gehverſuche machen. Der Bruch war geheilt mit Verkürzung des Fußes um nur etwa einen halben Zoll, was ſpäter ſich ausglich — ohne Hinken. Das Appellations- gericht hatte verfügt, daß den Ausgebrochenen über Nacht Ketten angelegt werden ſollten, um weitere Fluchtverſuche zu verhindern. Wiederholt hatte die Unterſuchungsbehörde beim Arzt angefragt, ob mir noch nicht Ketten angelegt werden könnten. Jetzt geſchah das, ich bekam Ketten an den linken Fuß und den rechten Arm — eine abſcheuliche Barbarei; denn ich mußte erſt gehen lernen, und konnte mindeſtens noch ein Vierteljahr lang nur mit Krücken gehen. Und die nächtlichen Ketten blieben ſo lang ich in Frank- furt gefangen war. XXIII. Stimmungen der württembergiſchen Oppoſition. 1838. Zu Bd. IV. 628 f. Die Geſinnungen der ſchwäbiſchen Liberalen zu Ende der dreißiger Jahre finden beredten Ausdruck in einem Briefe, welchen Fr. Römer an einen ſeiner Geißlinger Wähler richtete. Die Hauptſtellen lauten: Geehrter Herr! .... Ueber meine Leiſtungen brauche ich mich nicht beſonders zu äußern, da Sie wenigſtens meine Abſtimmungen und ſomit den Geiſt meiner Thätig- keit aus den öffentlichen Blättern kennen gelernt haben werden. Ebenſo wenig brauche ich Ihnen die Verſicherung zu geben, daß meine Abſtimmungen ſtets die Frucht meiner Ueberzeugung geweſen ſind. Ob ſie auch mit den Anſichten meiner Wähler übereinſtimmen? … ich weiß es nicht, aber ich ſchmeichle mir in ihrem Sinne geſprochen und gehandelt zu haben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/763
Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 749. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/763>, abgerufen am 28.03.2024.