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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802.

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1) ein Uebermaass in der Stärke der äussern Ein-
wirkungen auf den lebenden Organismus;
2) zu geringe Stärke derselben; und
3) verhinderte Einwirkungen des lebenden Orga-
nismus auf die übrige Natur.

In den beyden erstern Fällen ist die Heilung
nur dadurch möglich, dass die reitzenden Potenzen
auf einige Zeit unter oder über ihr naturgemässes
Maass vermindert oder vermehrt werden, und dass
also eine der zu heilenden entgegengesetzte Krank-
heit hervorgebracht wird. Im letztern Falle ist das
erste Erforderniss zur Heilung Wegräumung der
Ursachen, welche die Einwirkung des lebenden
Organismus auf die übrige lebende Natur ver-
hinderten. Aber so lange dieses Hinderniss statt
fand, war der Organismus in seinem Fortgange
zur vita maxima aufgehalten. Ein zweytes Erfor-
derniss zur Heilung ist daher eine temporäre Erhö-
hung der reitzenden Potenzen über ihr mittleres
Maass.

In der Periode des Alters lebt der Organismus
nicht mehr für sich, sondern nur für andere. Nur
in Beziehung auf andere lebende Individuen kann
hier also ein widernatürlicher Zustand desselben
eintreten, und dieser kann entweder in stärkerer,
oder geringerer Entziehung von Lebenskraft beste-
hen, als zur Erhaltung anderer Organismen erfor-
derlich ist. Der erste Fall hat seinen Grund in Ue-

ber-
1) ein Uebermaaſs in der Stärke der äussern Ein-
wirkungen auf den lebenden Organismus;
2) zu geringe Stärke derselben; und
3) verhinderte Einwirkungen des lebenden Orga-
nismus auf die übrige Natur.

In den beyden erstern Fällen ist die Heilung
nur dadurch möglich, daſs die reitzenden Potenzen
auf einige Zeit unter oder über ihr naturgemäſses
Maaſs vermindert oder vermehrt werden, und daſs
also eine der zu heilenden entgegengesetzte Krank-
heit hervorgebracht wird. Im letztern Falle ist das
erste Erforderniſs zur Heilung Wegräumung der
Ursachen, welche die Einwirkung des lebenden
Organismus auf die übrige lebende Natur ver-
hinderten. Aber so lange dieses Hinderniſs statt
fand, war der Organismus in seinem Fortgange
zur vita maxima aufgehalten. Ein zweytes Erfor-
derniſs zur Heilung ist daher eine temporäre Erhö-
hung der reitzenden Potenzen über ihr mittleres
Maaſs.

In der Periode des Alters lebt der Organismus
nicht mehr für sich, sondern nur für andere. Nur
in Beziehung auf andere lebende Individuen kann
hier also ein widernatürlicher Zustand desselben
eintreten, und dieser kann entweder in stärkerer,
oder geringerer Entziehung von Lebenskraft beste-
hen, als zur Erhaltung anderer Organismen erfor-
derlich ist. Der erste Fall hat seinen Grund in Ue-

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[96/0116] 1) ein Uebermaaſs in der Stärke der äussern Ein- wirkungen auf den lebenden Organismus; 2) zu geringe Stärke derselben; und 3) verhinderte Einwirkungen des lebenden Orga- nismus auf die übrige Natur. In den beyden erstern Fällen ist die Heilung nur dadurch möglich, daſs die reitzenden Potenzen auf einige Zeit unter oder über ihr naturgemäſses Maaſs vermindert oder vermehrt werden, und daſs also eine der zu heilenden entgegengesetzte Krank- heit hervorgebracht wird. Im letztern Falle ist das erste Erforderniſs zur Heilung Wegräumung der Ursachen, welche die Einwirkung des lebenden Organismus auf die übrige lebende Natur ver- hinderten. Aber so lange dieses Hinderniſs statt fand, war der Organismus in seinem Fortgange zur vita maxima aufgehalten. Ein zweytes Erfor- derniſs zur Heilung ist daher eine temporäre Erhö- hung der reitzenden Potenzen über ihr mittleres Maaſs. In der Periode des Alters lebt der Organismus nicht mehr für sich, sondern nur für andere. Nur in Beziehung auf andere lebende Individuen kann hier also ein widernatürlicher Zustand desselben eintreten, und dieser kann entweder in stärkerer, oder geringerer Entziehung von Lebenskraft beste- hen, als zur Erhaltung anderer Organismen erfor- derlich ist. Der erste Fall hat seinen Grund in Ue- ber-

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 1. Göttingen, 1802, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie01_1802/116>, abgerufen am 19.04.2024.