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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822.

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eine grössere Fläche der Hornhaut treffen, müs-
sen dem Insekt an ihrem Umfange verkürzt
und undeutlich erscheinen. Auch ist wegen des
farbigen Pigments, welches die Ausbreitung des
Sehenerven bedeckt, keine Unterscheidung der
Farben für das Insekt möglich. Der einzige
Vortheil, der für die Unvollkommenheit des
Sehens bey diesem Augenbau einigen Ersatz
giebt, ist die sehr weite Ausdehnung des Ge-
sichtsfeldes.

Diese Sätze lassen sich zwar nicht unmittel-
bar durch Erfahrungen darthun. Die bisherigen
Versuche über das Sehen der Insekten, wobey
man die zusammengesetzten Augen derselben
entweder abschnitt q), oder mit undurchsichti-
gen Materien bestrich r), lehren entweder gar
nichts, indem das Verhalten der Thiere nach
der Operation eben so wohl von dem heftigen
Eindruck der Durchschneidung des Sehenerven
auf das ganze Nervensystem, als von dem Ver-
lust des Gesichts herrühren konnte; oder sie
beweisen nur im Allgemeinen, dass jene Augen
wirklich Sehewerkzeuge sind. Die tägliche Er-

fah-
q) R. Hook Micrograph. p. 178. Rösel's Insektenbeln-
stigung. Th. 2. Mücken u. Schnecken. S. 51.
r) Swammerdamm a. a. O. p. 501. Reaumur Mem.
pour servir a l'Hist. des Ins. T. V. p. 287 der Ausg.
in 410.

eine gröſsere Fläche der Hornhaut treffen, müs-
sen dem Insekt an ihrem Umfange verkürzt
und undeutlich erscheinen. Auch ist wegen des
farbigen Pigments, welches die Ausbreitung des
Sehenerven bedeckt, keine Unterscheidung der
Farben für das Insekt möglich. Der einzige
Vortheil, der für die Unvollkommenheit des
Sehens bey diesem Augenbau einigen Ersatz
giebt, ist die sehr weite Ausdehnung des Ge-
sichtsfeldes.

Diese Sätze lassen sich zwar nicht unmittel-
bar durch Erfahrungen darthun. Die bisherigen
Versuche über das Sehen der Insekten, wobey
man die zusammengesetzten Augen derselben
entweder abschnitt q), oder mit undurchsichti-
gen Materien bestrich r), lehren entweder gar
nichts, indem das Verhalten der Thiere nach
der Operation eben so wohl von dem heftigen
Eindruck der Durchschneidung des Sehenerven
auf das ganze Nervensystem, als von dem Ver-
lust des Gesichts herrühren konnte; oder sie
beweisen nur im Allgemeinen, daſs jene Augen
wirklich Sehewerkzeuge sind. Die tägliche Er-

fah-
q) R. Hook Micrograph. p. 178. Rösel’s Insektenbeln-
stigung. Th. 2. Mücken u. Schnecken. S. 51.
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[441/0459] eine gröſsere Fläche der Hornhaut treffen, müs- sen dem Insekt an ihrem Umfange verkürzt und undeutlich erscheinen. Auch ist wegen des farbigen Pigments, welches die Ausbreitung des Sehenerven bedeckt, keine Unterscheidung der Farben für das Insekt möglich. Der einzige Vortheil, der für die Unvollkommenheit des Sehens bey diesem Augenbau einigen Ersatz giebt, ist die sehr weite Ausdehnung des Ge- sichtsfeldes. Diese Sätze lassen sich zwar nicht unmittel- bar durch Erfahrungen darthun. Die bisherigen Versuche über das Sehen der Insekten, wobey man die zusammengesetzten Augen derselben entweder abschnitt q), oder mit undurchsichti- gen Materien bestrich r), lehren entweder gar nichts, indem das Verhalten der Thiere nach der Operation eben so wohl von dem heftigen Eindruck der Durchschneidung des Sehenerven auf das ganze Nervensystem, als von dem Ver- lust des Gesichts herrühren konnte; oder sie beweisen nur im Allgemeinen, daſs jene Augen wirklich Sehewerkzeuge sind. Die tägliche Er- fah- q) R. Hook Micrograph. p. 178. Rösel’s Insektenbeln- stigung. Th. 2. Mücken u. Schnecken. S. 51. r) Swammerdamm a. a. O. p. 501. Reaumur Mém. pour servir à l’Hist. des Ins. T. V. p. 287 der Ausg. in 410.

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Zitationshilfe: Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 6. Göttingen, 1822, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie06_1822/459>, abgerufen am 28.03.2024.