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Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

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Fräuleins Wache.

Ich geh' all Nacht die Runde
Um Vaters Hof und Hall'.
Es schlafen zu dieser Stunde
Die trägen Wächter all.
Ich Fräulein zart muß streifen,
Ohn' Wehr und Waffen schweifen,
Den Feind der Nacht zu greifen.
O weh des schlimmen Gesellen!
Nach Argem steht sein Sinn.
Würd' ich nicht kühn mich stellen,
Wohl stieg' er über die Zinn'.
Wann ich denselben finde,
Wie er lauert bei der Linde,
Ich widersag' ihm geschwinde.
Da muß ich mit ihm ringen
Allein die Nacht entlang;
Er will mich stets umschlingen,
Wie eine wilde Schlang';
Er kommt vom Höllengrunde,
Wie aus eins Drachen Schlunde,
Gehn Flammen aus seinem Munde.
Fräuleins Wache.

Ich geh’ all Nacht die Runde
Um Vaters Hof und Hall’.
Es ſchlafen zu dieſer Stunde
Die trägen Wächter all.
Ich Fräulein zart muß ſtreifen,
Ohn’ Wehr und Waffen ſchweifen,
Den Feind der Nacht zu greifen.
O weh des ſchlimmen Geſellen!
Nach Argem ſteht ſein Sinn.
Würd’ ich nicht kühn mich ſtellen,
Wohl ſtieg’ er über die Zinn’.
Wann ich denſelben finde,
Wie er lauert bei der Linde,
Ich widerſag’ ihm geſchwinde.
Da muß ich mit ihm ringen
Allein die Nacht entlang;
Er will mich ſtets umſchlingen,
Wie eine wilde Schlang’;
Er kommt vom Höllengrunde,
Wie aus eins Drachen Schlunde,
Gehn Flammen aus ſeinem Munde.
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[203/0209] Fräuleins Wache. Ich geh’ all Nacht die Runde Um Vaters Hof und Hall’. Es ſchlafen zu dieſer Stunde Die trägen Wächter all. Ich Fräulein zart muß ſtreifen, Ohn’ Wehr und Waffen ſchweifen, Den Feind der Nacht zu greifen. O weh des ſchlimmen Geſellen! Nach Argem ſteht ſein Sinn. Würd’ ich nicht kühn mich ſtellen, Wohl ſtieg’ er über die Zinn’. Wann ich denſelben finde, Wie er lauert bei der Linde, Ich widerſag’ ihm geſchwinde. Da muß ich mit ihm ringen Allein die Nacht entlang; Er will mich ſtets umſchlingen, Wie eine wilde Schlang’; Er kommt vom Höllengrunde, Wie aus eins Drachen Schlunde, Gehn Flammen aus ſeinem Munde.

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Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/209>, abgerufen am 25.04.2024.